Die Radfahrer von tramp trau fahren vorbei Bärbel Mäkeler

Radwandern: Tramp tau, tritt zu –
ein Motto wird gelebt

Es ist Mittwoch, 9:15 Uhr und es herrschen 28 Grad im Schatten. Ich bin mit der Radwanderabteilung „tramp tau“ der Turnerbrüderschaft Bortfeld e. V. verabredet, die alle zwei Wochen mittwochs zusammen eine längere Fahrradtour unternehmen. Länger bedeutet in ihrem Fall 30 bis 40 Kilometer. Das ist schon was. Ob wohl alle kommen werden, frage ich mich insgeheim. „Normalerweise“, erzählte mir Roland Weber, Abteilungsleiter der Radlergruppe, im Vorgespräch, „sind wir rund 25 ältere Herren, die sich treffen und meist haben wir ein besonderes Ziel.“ Aber heute? Bei den Temperaturen?

Ich bin schon aufgrund der frühmorgendlichen Wärme mit dem Cabrio in Bortfeld angekommen, wo sich die Herren mit mir am Heimatmuseum verabredet haben. Ich bin jedenfalls gespannt, wie viele sich bei der angekündigten Hitze aufraffen. Da, jetzt kommt einer um die Ecke. Das ist bestimmt Herr Weber. Und die anderen? Ist es doch zu warm? – Nein, es kommen nach und nach wirklich 24 ältere Herrschaften mit dem Fahrrad oder E-Bike auf mich zugeradelt und begrüßen mich mit einem herzlichen „Hallo“.

 

Gruppenbild mit Enkel

Die Herren wissen gleich, worauf es ankommt und so formieren sie sich vor dem neu mit Reet gedeckten Heimatmuseum zum Gruppenfoto. Gut gelaunt wird gescherzt, wer denn nun in der ersten Reihe stehen darf. Die Radler mit den langen Hosen oder die mit den braunen Beinen? Wieso, denke ich kurz … na, wegen der Altmännerbeine. Einer sticht aus der Reihe heraus: Es ist der Enkel des Ortsbürgermeisters Wolfgang Brandes, der siebenjährige Nick. Er guckt spitzbübisch zwischen den Herren hervor und ist sichtlich stolz, mit dabei sein zu dürfen. Wie sich später herausstellt, fährt er aber nicht mit der Radlertruppe mit, sondern geht mit seinem Opa angeln, weil Ferien sind.

Ein Name, ein Outfit

Mich beeindruckt das Outfit der Gruppe: Alle tragen ein grünes Vereins-T-Shirt und der Clou – die Shirts sind auf dem Rücken mit „tramp tau“ bedruckt. Das nenne ich mal Marketing! Also müssen mir die Altersblonden ihre Rücken zeigen, was sie gern tun. Danach aber kommt schon Unruhe auf, die Herren wollen los – es stehen noch 35 Kilometer auf dem Programm und wird gen Mittag nicht kühler werden. Wo geht’s denn hin? „Wir fahren nach Wahle bei Peine zu einem 80. Geburtstag.“ Na dann – aber Halt – der Ortsheimatpfleger Bodo Fricke möchte mir noch etwas zum Heimatmuseum erzählen. Er nimmt mich mit ins kühle Innere des alten Bauernhauses von 1639. Die anderen warten etwas ungeduldig unter der großen Eiche am Museum.

 

Die wechselhafte Geschichte des Bauernhausmuseums

Fricke erzählt mir – ähnlich einem Parforceritt durch die Geschichte – das Schicksal des Zweiständerhauses. Am Ende der knapp 380-jährigen Existenz des Hauses trug sich dort im Jahr 2016 ein geradezu schicksalsträchtiger Vorfall zu: Das Museum brannte zum Teil durch einen Blitzschlag ab, kurz bevor es fertiggestellt werden konnte. Das Tragische an der Geschichte ist aber, finde ich, dass die Denkmalbehörde einen Blitzableiter aus Denkmalschutzgründen abgelehnt hatte …

Nun ist das Bauernhausmuseum, das dem Landkreis Peine gehört, wieder fast fertig. Zurzeit wird noch an einem Museumskonzept gearbeitet. Kein leichtes Unterfangen, denn es sind viele Akteure beteiligt: das Landesmuseum, das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege, das Julius-Kühn-Institut, der Landkreis Peine, der Gemeindeheimatpfleger Wendeburgs und nicht zuletzt Bortfelds Ortsheimatpfleger, nämlich Bodo Fricke. „Nun komm schon, Bodo, wir müssen los“, drängelt Roland Weber. „Wolfgang macht das schon mit Frau Mäkeler. Und vergiss nicht zu erzählen, dass wir auch singen …“ Und schon biegen 24 grüngewandete Radler um die Ecke ab gen Peine.

Singen und Fahrradfahren gehören zusammen

Ja, Wolfgang Brandes, der Ortsbürgermeister macht das. Er gibt mir einen Einblick in das Treiben von „tramp tau“. Was hat das mit dem Singen auf sich, was dem Leiter der Gruppe so wichtig ist? Also, das ist so: Die Bortfelder Herrenriege, die übrigens seit 1997 zusammen Fahrrad fährt, hat bei den nicht zu vermeidenden Geburtstagen festgestellt, dass alle gern singen, und das auch nicht mal so übel. Vor allem liegt ihnen das alte Liedgut am Herzen, betont Brandes. Von Akkordeon und Gitarren begleitet, schmettern die Herren so manches bekannte Volkslied, auch auf Plattdeutsch. Das ist ihnen wichtig, die alten Weisen sollen bewahrt werden, ebenso wie das Platt, was noch so mancher Bortfelder und manche Bortfelderin beherrschen. Ein eigens komponiertes Radfahr-Medley wird bei den Zusammentreffen gern angestimmt. „Da müssen wir unterdessen aufpassen, dass wir nicht öfter zum Singen eingeladen werden, als dass wir Fahrrad fahren“, schmunzelt Wolfgang Brandes.

 

Von der Musik zum Volksfest

Er fügt noch an, dass es auch einen Bläserchor gibt, der sich Bortfeld-Bettmarer Blasmusik nennt, bei dem er selbst auch mitmacht. Der Bläserchor tritt zum Beispiel beim großen Volksfest in Bortfeld auf. Ja, und die Vereine, die spielen im Ort eine große Rolle, erklärt der ehrenamtliche Ortsbürgermeister. Beim berühmt-berüchtigten Volksfest sind aus jedem ansässigen Verein zwei Mitglieder tatkräftig beteiligt, das wurde einmal so festgelegt. Da gerät Wolfgang Brandes so richtig ins Schwärmen. Es fallen Wörter wie Zusammenhalt, Engagement, Dorfgemeinschaft oder Nachbarschaftshilfe. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

„tramp tau“ – Eine bunte Truppe

Um noch einmal auf die singenden Radler zurückzukommen. Ich will wissen, wie es denn so um die Zusammensetzung der Gruppe steht, was Alter und Beruf betrifft. Und was ist eigentlich mit den Frauen, dürfen die nicht mit? Ich erfahre, dass es kein Zufall ist, dass Frauen nicht mitradeln. „Die Damen haben dafür eine eigene Runde“, erklärt mir Brandes. „Und was das Alter betrifft: Wir sind zwischen 61 und 85 Jahren und schon alle in Rente, Pension oder im Vorruhestand, sonst könnten wir ja nicht mittwochs morgens alle zusammen losfahren.“ Bei den Berufen ist „tramp tau“ vielseitig aufgestellt – vom Kaufmann über den Handwerksmeister bis zum Ingenieur ist alles vertreten. „Wir sind eine bunt gemischte Truppe.“ Das kann ich nur bestätigen. Gut gelaunt, engagiert, aktiv und alle lieben Bortfeld und das Radfahren.