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Good bye L. A.:
Was Reggie Worthy, Ex-Bassist von Tina Turner, in Cremlingen macht

Zwischen Schuhgeschäft und Schokofabrik suche ich das Tonstudio von Reggie Worthy und erwarte auf jeden Fall ein „fancy“ Firmenschild. Immerhin soll der Bassist einst mit den Musiklegenden Ike und Tina Turner und mit Udo Lindenberg auf Tour gewesen sein. Doch nur eine winzige Tafel am unscheinbaren Industriebau verrät den prominenten Mieter, der hier mit „Groovelot Records“ ein eigenes Label betreibt.

37 Jahre Deutschland

Im Studio stehen Gitarren und E-Bässe aufgereiht, in der Ecke ein Schlagzeug und über der Tür zum Aufnahmeraum hängt eine Kuckucksuhr. Trotz des süddeutschen Dekoartikels ist unverkennbar, dass Reggie Worthy aus den USA kommt: Er empfängt mich mit Cap und einer charmanten Mischung aus American English und Deutsch.

Warum er gerade hier arbeite, frage ich. Schließlich steht Cremlingen auf der Liste der coolsten Rockmusikorte der Welt ja nicht wirklich weit oben. So ganz genau weiß Worthy es allerdings auch nicht. „1979 bin ich nach Deutschland geflogen, um dort Musik zu machen. Eigentlich nur für sechs Wochen“, erzählt er. Dann seien aus sechs Wochen schnell sechs Monate geworden und aus Monaten irgendwie Jahre. Er ist selbst ziemlich erstaunt und findet es fast ein bisschen unheimlich, dass er mittlerweile seit über 30 Jahren hier ist. „Hätte ich das gewusst, wäre ich damals in L. A. nicht in den Flieger gestiegen“, sagt er und lacht.

 

Vom Bassisten zum Frontmann

Doch in der Region hat er schließlich ein eigenen Label gegründet, bezog erst ein Tonstudio in Helmstedt und dann dieses in Cremlingen. Ganze Tage und manchmal auch Nächte verbringt er hier – wenn er nicht gerade auf Tour ist, wie zum Beispiel jetzt im November mit Stoppok und Band.

Als Bassist ist er längst eine Instanz, national und international. Der Braunschweiger Instrumentenbauer Sandberg, der an prominente Musiker in der ganzen Welt verkauft, hat sogar ein E-Bass-Modell nach ihm benannt, den „Reggie Worthy classic“.

Sandberg Clinic

Für das also tatsächlich unverhältnismäßig kleine Firmenschild hat der Musiker eine plausible Erklärung: Die große Show sei nicht so sein Ding. „Als Bassist stehe ich immer eher Hintergrund“, sagt er. Erst seit ein paar Jahren muss er umdenken. Denn in seinem aktuellen Projekt spielt er nicht nur Bass und Gitarre, sondern singt auch – und er steht ganz vorne auf der Bühne, zusammen mit Partnerin Ina Zeplin. Sie, eine Steinmetzin aus Süpplingenburg bei Helmstedt, ist ebenfalls beim Gespräch dabei: blond, sehr nett und ausgesprochen stimmgewaltig, wie ich später zu Hause auf den CDs der beiden höre.

 

Musik, die gute Laune macht

Das Duo Worthy/Zeplin spielt Pop, Rock und, allein schon wegen Worthys Basskünsten, gerne auch Funkiges. Und die Musik macht gute Laune. „Listen & Enjoy“ heißt es völlig zu Recht auf ihrer Homepage. Auf gar keinen Fall wollten die beiden etwas Schwermütiges machen, da sind sie sich einig. Was gerade alles in der Welt passiere, sei schon schlimm genug. „Man mag ja gar nicht mehr in die Zeitung gucken“, sagt Zeplin. „Es ist absolut over the top“, bekräftigt Worthy.

DAY WITHOUT A NIGHT by WORTHY/ ZEPLIN

Zwei CDs hat das Duo schon rausgebracht, eine dritte ist in Arbeit. Die beiden sind viel unterwegs, vor allem in Deutschland, aber auch in Österreich und in der Schweiz. Der Auftritt als Frontmann kostet den Musiker aus den USA noch immer ein bisschen Überwindung. „Aber wenn du da bist, bist du da“, sagt Zeplin. Und Worthy bestätigt: „Ja, wenn es rauskommt, kommt es raus, dann macht es ‚bäm!‘. Nur manchmal dauert es eben ein bisschen.“

Was Bühnenpräsenz betrifft, ist Tina Turner Worthys großes Vorbild. Zweieinhalb Jahre lang war er mit ihr unterwegs. Er erzählt: „Sie ist jedes Mal raus auf die Bühne und war sofort da. Sie hat ihre Show abgeliefert, egal wie voll oder leer der Saal war, ob sie gesund war oder krank. Immer.“

Der Musiker denkt oft an seine Heimat – und würde dann am liebsten sofort die Koffer packen. „Aber so einfach geht das nicht“, bedauert er. Und Cremlingen habe ja durchaus Vorzüge. Schön ruhig sei es, sagt er grinsend. Doch nicht zuletzt ist wohl eine Art Lebensmotto der Grund für die Sesshaftigkeit: Die Musik ist sein Zuhause. Und die spielt nun mal noch immer in einem kleinen Ort bei Braunschweig, zwischen Schuhgeschäft und Schokofabrik.