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Stadionfunk – die Eintracht Braunschweig-Kolumne
Für Eintracht in Vielfalt! Für Robin!

Am Samstag war Preußen Münster zu Gast im Eintracht-Stadion. Ein Spiel, zwei Perspektiven. Unsere Regionäre Kay Rohn und Malte Schumacher berichten.

Kay Rohn:

 

Reine Mentalitätssache

Rudi

Hinterhof Forsthaus an der Hamburger Straße. In der „Fangarage“ treffen sich seit Jahren regelmäßig Eintrachtfans vor den Heimspielen. Zu früheren Zeiten haben hier die gegnerischen Mannschaften logiert. Jens hat den Kontakt hergestellt mit den Worten: „Das musst du dir anschauen.“ Stehtische, Grill, in der Garage läuft ein Beamer und ich treffe Rudi. Eigentlich hat er Modellschiffe gebaut. Dann sagte ein Freund zu ihm: „Bau doch mal den Tempel“. Ohne vermaßte Pläne, nur nach Augenmaß, setzte er das Projekt um. Vor Kurzem gab es noch eine durchsichtige Abdeckung und nun ist die Bauphase abgeschlossen. Zu Recht mit Stolz erzählt Rudi von kleinen Geschichten in dem Bauwerk. So stellt eine Gruppe Fans vor der Südkurve einen Junggesellenabschied dar. In der Südkurve ist der Fanclub aus dem Forsthaus in dunkelblauen Hoodies zu sehen. Und bei der Bandenwerbung taucht natürlich das Forsthaus an prominenter Stelle auf. Es gibt noch eine sehr schöne Idee dazu. Dieses Stadionmodell könnte für einen Monat bei einem Unternehmen aufgebaut werden. Spenden, die dabei zusammenkommen, könnten einen guten Zweck unterstützen. Eine sehr schöne Arbeit und eine sehr schöne Idee.

Kay Rohn
Rudi und „sein Tempel“.

Robin

Die Aufschrift „Für Eintracht in Vielfalt! Für Robin.“ Ziert das Shirt in dem die Eintracht aufläuft. Eine Aktion für Robin Becker. Mit den Auflaufshirts positioniert sich der Verein ganz klar auf der Seite von Robin Becker. Das finde ich sehr gut. In früheren Texten habe ich es bemängelt, dass der Verein nicht zeigt, für was er steht. Hier hat er sich klar geäußert. Schon während der Woche hat sich André Schubert hinter seine Spieler gestellt: „Wir als Verein, die Mannschaft und auch ich, verurteilen jegliche Form von Rassismus und jegliche Form von rassistischen Urteilen, auch andere diskriminierende, abwertende oder beleidigende Äußerungen.“ Robin Becker attestiert er eine sehr professionelle und vorbildhafte Einstellung. Ein Spieler wird auf Grund von einseitigen Beschuldigungen verurteilt. Robin Becker ist ein noch sehr junger Spieler, der sich in den letzten Monaten extrem weiterentwickelt hat. Ich hoffe, dass der DFB die Entscheidung zeitnah revidieren wird und Becker noch in dieser Saison wieder ins Spielgeschehen eingreifen kann.

 

Real

Im Aufsichtsrat von Preussen Münster sitzt ein Vizeweltmeister, Christoph Metzelder. Er gewann 2008 mit Real Madrid die spanische Meisterschaft. Sein Bruder Malte, auch ehemaliger Fußballprofi, ist seit 2017 als Geschäftsführer bei Preußen Münster tätig. Und seit 2017 ging man in Münster den gleichen Weg wie bei uns und gründete den Profibereich in die Sportclub Preußen Münster 06 GmbH & Co. KGaA aus. Noch 2008 spielte das Gründungsmitglied der Bundesliga Münster in der vierten Liga. Und jetzt stehen sie mit Recht in der oberen Tabellenhälfte der dritten Liga. Man sieht von Außen, dass dort im Verein strukturiert gute Arbeit geleistet wird, die sich auch in sportlichen Leistungen ausdrückt.

 

Rütten

Ein wenig undankbar ist die Rolle, die Nils Rütten einnehmen muss. Er nimmt den Platz von Bernd Nehrig hinten in der Fünferkette ein. Spielerisch gelingt ihm das sicherlich ganz gut. Allerdings fehlt ihm bei Kopfbällen die Körpergröße und so erhält Münster viele „zweite Bälle“. In der 64. Minute muss er dann auch folgerichtig seinen Platz räumen.

Remis

Sechs Tore. Die ersten fünfzehn Minuten gehören der Eintracht. Es hätte 2:0 stehen können. Chance um Chance wird erarbeitet, aber leider nicht vollendet. Dafür steht es zur Halbzeit 1:2. Kessel rettet uns mit dem Anschlusstreffer in die Pause. Die Chancenverwertung der Münsteraner ist brutal. Halbzeitpause: die Chance, etwas zu ändern, zu motivieren oder neu zu organisieren. Der nächste Einschlag kommt in der 56. Minute. Ein unnötig verursachter Freistoß wird vom Münsteraner Kobylanski im Stile eines Toni Kroos direkt verwandelt. Zehn Minuten nach der Halbzeit scheint das Spiel gelaufen. Aber Eintracht hat sich in der zweiten Halbserie einen Vorrat an mentaler Stärke erarbeitet und kommt zurück ins Spiel. Das Team hat eine sehr gute Körpersprache, Rütten wechselt mit Burmeister, der lange auf diese Einwechselung warten musste. Das 67er-Lied ist kaum zu Ende, da nutzt er eine Chance und kann zum 2:3 einschießen. Schlussoffensive, kaum Spielaufbau mehr, nur noch hoch auf Hofmann und hoffen auf den zweiten Ball. Die Brechstange muss her. Und die heißt Julius Düker. Mit seinem Kopfball nach Eckball von Kijewski setzt er in der Nachspielzeit den Schlusspunkt. Remis, intensiv, kampfbetont mit guten fußballerischen Qualitäten auf beiden Seiten. Ein sehr gutes Spiel in der dritten Liga.

 

Rechnung

Multipliziert man die Punkteausbeute der Rückrunde mit dem Faktor zwei, kommt man auf 56 Punkte. Damit wären wir zurzeit mit vier Punkten hinter Halle auf Platz fünf. Natürlich ist das nur eine Rechnung, macht aber Hoffnung auf die nächste Saison. Immer vorausgesetzt, dass die letzten Punkte jetzt noch geholt werden. Aber da bin ich zuversichtlich. Es ist eine Mannschaft mit großer Mentalitätskraft, also eine Mentalitätsmannschaft.

Mir ist aufgefallen: Wieder Mal keine souveräne Leistung der Schiedsrichter.

Malte Schumacher:

 

Urlaubsplanung

Außer Allesfahrern und Ultràs kennt das jeder: Urlaubsplanung und Spieltagsansetzungen können auch mal so richtig kollidieren … Unseren Pfalz-Urlaub über Ostern mit Rückreise am 29. April 2019 haben wir Ende Mai 2018 fixiert – da waren wir gerade aus der Zweiten Liga abgestiegen, und ich hatte null Bock, über einen eventuellen Drittliga-Spielplan nachzudenken. Irgendwann war dann klar, dass ich ein Heimspiel versäumen werde, das gegen Münster. Unsere Zeit in der Ferienwohnung in Freinsheim/Pfalz aber ist prima bislang: Über die Ostertage hatten wir Besuch von Wolfram und Kerstin. Mein alter Freund Wofram lebt schon lange nicht mehr in Niedersachsen – sein Schweinfurter Autokennzeichen aber macht klar, woher er kommt und wofür sein Herz schlägt: „SW EB 1895“.

Malte Schumacher
Wolframs Kennzeichen sagt alles. Eintracht vs. Münster.

Hoffnung

Am Ostermontag dann haben wir bereits alle notwendigen Bedingungen für den heutigen Heimspieltag testen können: Meine Frau hat ihr IPad mitgenommen, und die Telekom-Magenta-Sport-App hat uns das geile 3:0 gegen Uerdingen in Duisburg miterleben lassen. Mann, sind mir da Steine vom Herzen gefallen … Tabellen-Vierzehnter sind wir nun – besser standen wir einzig Ende Juli nach dem ersten Spieltag. Nach dem Hinspiel in Münster Ende November (0:3) waren wir Tabellenletzter mit neun Punkten Abstand auf einen Nichtabstiegsplatz und hatten 20 Punkte weniger als Preußen Münster. Die drei Tore und Punkte in Uerdingen geben mir weiter Hoffnung, dass wir den Klassenerhalt schaffen. Ein Sieg heute im viertletzten Saisonspiel aber ist dafür fast schon Pflicht …

 

Zeichen

Wie immer vor Eintracht-Spielen bin ich gestern und heute sehr aufmerksam und mit offenen Augen sowohl durch Freinsheim als auch durch unser Ausflugsziel Mannheim gelaufen – auf der Suche nach ermutigenden Zeichen für das Spiel heute. In Mannheim war leider gar nichts zu finden. Die Stadt genießt die am Freitag errungene DEL-Meisterschaft der Adler Mannheim, und die Stadt freut sich über den am Samstag nach Karfreitag bereits eingetüteten Drittliga-Aufstieg des SV Waldhof. Hoffen wir also auf zwei Spiele in der Saison 2019/20 in Liga 3 unter alten Freunden – wobei ich nicht wirklich weiß, wie lebendig die Fan-Freundschaft zwischen uns und den „Monnemern“ noch ist. In Freinsheim selbst entdecke ich leider auch keine blau-gelben „Hinweise“ – außer auf dem Bild, das in unserer Ferienwohnung an der Wand hängt: Titel „Elf Freunde“, darauf vier gelb-schnäbelige Vögel.Das fehlende blau macht mein Fan-Schal wett – Danke, ich werde langsam ruhiger …

 

Spielvorbereitung bei Weißherbst-Schorle

Die Spiel-Vorbereitung beschreiten wir heute zunächst in der „AlexWeinLounge“ in Herxheim am Berg, wie es sich hier gehört bei einer Weißherbst-Schorle. Die unglaubliche juristische Posse um Robin Beckers „rassistische Beleidigungen“ und seine daraus resultiernde Sperre für das heutige Spiel beschäftigen uns noch immer. Da steht wohl Aussage gegen Aussage – nun müssen die Eintracht-Juristen dafür sorgen, dass den blöden 60ern gezeigt wird, wo Barthel den Most holt. Um 11.30 Uhr werde ich wie immer unruhig und möchte vor dem IPad sitzen. Andrea erklärt mir ganz gelassen, dass dort erst ab 13.45 Uhr ein bewegtes Bild gesendet wird – sorry, ich bin komplett im Heimspiel-Modus … Na gut, ich esse noch eine Spargelcreme-Suppe, und wir checken hier die Aufstellung: Rütten ersetzt Becker, das hatte ich mir schon gedacht. Nun aber bitte ab nach Freinsheim, ich werde hibbelig …

Technik sei Dank

Diese der Digitalisierung zu verdankenden technischen Möglichkeiten heutzutage sind ja schon grandios: stabiles WLAN, zwei Klicks auf dem IPad – und schon bist du in deinem eigenen Stadion live und gestochen scharf dabei … Die Spieler tragen T-Shirts mit der Aufschrift „Für Eintracht in Vielfalt! Für Robin!“ – niemand glaubt daran, dass Robin Becker vorsätzlich rassistische Beleidigungen gegenüber Spielern von 1860 ausgesprochen hat – ich auch nicht. Das sind einfach schlechte Verlierer, wahrscheinlich so konditioniert von ihrem Scheich-Investor. In der Vorberichterstattung bei Magenta Sport bezieht auch André Schubert nochmal deutlich Stellung – na also, unser Team tritt seit Monaten als elf bzw. ca. 30 Freunde auf! Meine Schwägerin schickt über WhatsApp die heutigen Info-Flyer: Den Aufruf der „Initiative Eintracht“, aktiv in den Eintracht e.V. einzutreten, sowie den Stand der Dinge in Sachen „Blockwechsel der Ultràs // Konzept Block 7“. Danke, gucke ich mir mal in Ruhe an, jetzt nicht.

 

Pech

Die Stimmung kommt gut rüber, das Wetter scheint okay: Anpfiff! Und gleich haben wir Chancen; ich beiße fast in den Tisch: Warum Philipp Hofmann das Ding in der 6. Minute vorbeistochert, anstatt den Ball reinzuballern, wird er sich wohl noch in drei Wochen fragen … Er ist halt eher der Mann für die komplizierten Tore – siehe das bei Fortuna Köln oder auch seine zu unrecht aberkannte Bude am Ostermontag. Der TV-Kommentator allerdings geht zu weit: Er will Hofmann nominieren für die „Magenta-Flop-Ten“ des Spieltags. Blödmann. Putaro versemmelt auch noch ein gutes Ding – klasse Auftakt. Ich knabbere Nägel und muss jedes Mal schlucken, wenn wir auf das Tor in der Nordkurve Chancen haben. Die Kameras zeigen dann fast meine gewohnte Perspektive aus Block 6 …

 

Mehr Pech

Langsam normalisiert sich das Kräfteverhältnis, die Preußen werden stärker. Nach einer Ecke wird dann deutlich, wie sehr heute gleich beide Abwehrstützen fehlen: der verletzte Nehrig und der gesperrte Becker: Ein Preuße wird völlig freistehend am zweiten Pfosten bedient und kann den Ball mühelos versenken. 0:1. Mann, hinten zu Null, das war mein Plan … Vier Minuten später 0:2, Kobylanski macht nach seinen drei Buden aus dem Hinspiel sein viertes gegen uns. Jetzt ist mir schlecht. Das wäre ein herber Rückschlag im Abstiegskampf. Können sie das drehen? Kommen sie noch einmal heran? Kaum gedacht, schon netzt Kessel ein! Nur noch 1:2. Nun erst mal sortieren bitte. Janzer hat sogar noch eine Möglichkeit zum Ausgleich – Pause.

 

Noch mehr Pech

In der Halbzeit tätige ich ein Gelübde: Wenn wir noch gewinnen, gehen wir sofort nach dem Spielende in die Feinsheimer Weinlounge „0815extremgut“, und ich schmeiße eine Flasche vom besten Rosé – vielleicht hilft das ja. Nach Wiederanpiff sieht es gut aus: Marcel Bär hat eine schöne Möglichkeit, vergibt aber. Ich kaue weiter Nägel. So richtig zwingend sind wir mal wieder nicht. Und der Kobylanski macht mich fertig: Er brettert einen direkten Freistoß aus fast 25 Metern hinten rechts oben ins lange Eck zum 1:3. Nun braucht’s ein Wunder. Klar, dass der Fanclub-WhatsApp-Kanal heute ungewohnt stumm ist und bleibt – die Jungs sind beschäftigt …

 

Felix Burmeister

Kurz nach diesem Rückschlag wechselt Schubert: Burmeister für Rütten (so richtig stark war der in der Verteidigung nicht) und Feigenspan für Janzer. Feigenspan hat schon öfter getroffen als Joker; er hat richtig Speed drauf. Und fünf Minuten nach seiner Einwechslung macht ausgerechnet Burmeister das 2:3 – ganz cool, ganz besonnen in Stürmer-Manier ins lange Eck. Puh, nun bleibt die Hoffnung auf wenigstens einen Punkt. Und ich gönne dieses schöne und wichtige Tor dem Felix Burmeister sehr – viele mögen ihn wegen seiner vorherigen Vereinsstationen gar nicht. In unserer momentanen Situation und überhaupt ist das kompletter Unsinn, und es passt auch nicht zum Spieltagsmotto „Für Eintracht in Vielfalt!
Für Robin!“

Malte Schumacher
Man of the match again -- Julius Düker.

Julius Düker

Die Stimmung ist jetzt super im Tempel, die Fans peitschen die Mannschaft nach vorne, während ich hier in Freinsheim weiterhin an der Tischplatte kaue … Ich weiche mein Halbzeit-Gelübde leicht auf und verspreche Andrea zwei große Gläser Rosé im Falle eines Punktgewinns … Und dann zieht André Schubert seinen Monster-Joker: Julius Düker kommt in der 79. Minute für Putaro – Hofmann und Düker also gemeinsam vorne drin. Auch er kann fünf Minuten später treffen, kommt allerdings einen halben Schritt zu spät im Fünfer. Scheiße, war’s das? Nein, das war’s nicht: Es kommt fast genauso wie beim Heimspiel gegen die blöden 1860er, Geschichte wiederholt sich also doch – Kijewski gibt in der 92. Minute eine butterweiche Ecke an den Fünf-Meter-Raum, Düker ist hoch oben in der Luft, und Julius Düker köpft das Ding rein ... Ich atme ganz langsam aus und sinke in die Sofakissen. Schlusspfiff, ein Punkt daheim, immer noch 14ter, zwei Punkte Vorsprung auf Abstiegsplatz 17. Auf in die Weinlounge „0815extremgut“, die Sonne scheint, und der Rosé dort ist wirklich lecker …