Foto-Fans am Penta-Hotel in Braunschweig. Malte Schumacher

Stadionfunk Eintracht Braunschweig:
Kleines gegen großes Geld

DFB-Pokal, Borussia Dortmund zu Gast im Eintracht-Stadion. Diesmal machte nicht das Flutlicht, sondern das WLan für Reporter Probleme. Und der Gegner sowieso. Malte Schumacher und Kay Rohn berichten.

Zwei Busse für Millionäre

Als ich am Spieltag gegen Mittag in die Innenstadt radele, passiere ich wie immer das Penta-Hotel. Davor stehen zwei BVB-Busse, und die Spieler steigen auch gerade ein – einige „Foto-BVB-Fans“ warten genau auf diesen Moment.

Okay, das ist anders, wenn Fürth oder Sandhausen bei uns zu Gast sind… Matze Schröder meint via WhatsApp, zwei Busse wären notwendig wegen der Hygiene-Abstands-Regeln – daran glaube ich nicht. Meine These ist, dass die mit viel Bling-Bling und riesigen Kopfhörer ausgestatteten Millionarios sehr viel mehr Platzbedarf haben als geerdete Zweitliga-Spieler…

 

Das Traditions-Trikot

Wieder daheim. widme ich mich meinem neuen Jubiläums-Trikot. Die Eintracht hatte allen Soli-Dauerkarten-KäuferInnen versprochen, dass diese exklusiv das zum 125jährigen Jubiläum entwickelte Sonder-Trikot geschenkt bekommen. Meines war vor dem Fürth-Spiel auch da, das Spiel damit ging allerdings 0:3 verloren – kann ja aber das Hemd nichts dafür. Ich bügele mir ein Eintracht-old school-Wappen drauf – ein roter Löwe muss auch auf diese Brust.

Einen Shitstorm zumindest in unserem Fanclub-WhatsApp-Kanal gab es am Samstag zum Fürth-Spiel, als Eintracht ankündigte, dass ein geringer Bestand des Jubiläums-Trikots zum Preis von 67 Euro im Online-Fanshop erhältlich sein würde… Hallo, Exklusivität? Hallo, Versprechen gebrochen? Ach Eintracht, Du machst es Deinen Fans nicht leicht…

 

Das blau-gelbe Traditionstrikot von Eintracht Braunschweig. Malte Schumacher
Auch auf das Jubiläumstrikot muss ein roter Löwe...

Erling Haarland = 100 mal Manni?

Den Nachmittag verbringe ich mit intensiver Vorbereitungs-Recherche – ich darf zusammen mit Robin Koppelmann wieder für das Eintracht-FanRadio ans Mikrofon und somit live im Stadion sein.

Bleiben wir gleich mal bei Klischees, die gar keine sind: Marktwert der Mannschaft von Borussia Dortmund – über 600 Millionen Euro. Eintracht kommt bei tranfermarkt.de auf etwas über 9 Millionen. Spitzenreiter in unserem Team ist dabei Manni, von Union Berlin ausgeliehen, mit ca. 1 Million Euro Transferwert – Jadon Sancho und Erling Haaland bringen jeder das 100fache davon. Da muss ich mich nicht weiter reindenken.
 

Eine Flasche Bier kaufen, Kopfkino einschalten

Wenn ich nicht verlässlich wüsste, dass heute Abend ein Pokal-Kracher gegen Borussia Dortmund an der Hamburger Straße steigt, ich würde es nicht glauben – zu spüren ist davon rein gar nichts unterwegs. Gleiches Bild dann in der Rheingoldstraße: Wo ohne Pandemie und kurz vor Weihnachten schon Tausende feiern würden, bin ich heute fast allein.

Im Gemüseladen gegenüber der verwaisten Shell-Tanke hole ich mir eine Flasche Bier und stelle mein Kopf-Kino an. Ich sehe meine Fanclub- und Kurven-Buddies, ich rieche Bratwurst, ich höre Gesänge und Trommeln….

Ankunft der Millionarios

Dann biegen auch schon die beiden schwarz-gelben Busse mit den Millionären sowie ihren Pelzmänteln und Riesen-Kopfhörern um die Ecke in den Gästezugang. Auch hier „Foto-BVB-Fans“ – gerade Kinder sollen ihre Begeisterung natürlich gerne ausleben.

Im Stadion selber ist dann schon zu spüren, dass das heute ein besonders Spiel ist: Ziemlich viele und sehr große Medien-Fahrzeuge stehen hinter dem Kubus. Auch im Presse-Bereich oben auf der Haupttribüne ist sehr viel mehr los als noch zuletzt gegen Fürth.

Robin und ich haben eben wegen des erhöhten Medien-Aufkommens unsere FanRadio-Plätze etwas weiter weg von der Mitte, wir sitzen heute zwischen Mittellinie und Nordkurven-Tor.

Jounalisten-Tipps und WLAN-Malessen

Ich stromere kurz vor dem Anpfiff noch ein wenig herum bei den Medienleuten und hole Ergebnis-Tipps ein. Daniel Mau von der Braunschweiger Zeitung antwortet „2:1“, Patrick Halatsch vom NDR sagt ganz selbstverständlich „5:4 – was denn sonst?“. Okay, optimistisch und lustig zu gleich, die Journalisten.

Unsere Aufstellung verwundert Robin und mich ein wenig, und wir starten damit auch in unsere Live-Reportage ab 19.50 Uhr – Manni von Beginn an, Proschi auf der Bank, Ben Balla auch in der Start-Elf. Bereits in den ersten Minuten allerdings merken wir, dass das es das WLAN heute nicht gut meint mit unserer Übertragungs-Qualität.

Drei Eintracht Braunschweig-Fans im Stadion. Malte Schumacher
Das Eintracht Fan-Radio im Einsatz - In diesem Spiel mit WLan-Problemen.

Droht ein Debakel?

Und mit wem spielt der BVB? Alleine die Namen Sancho, Guerreiro, Hummels Brandt, Bellingham und Reyna lassen mich tatsächlich ein wenig bangen – hoffentlich schießen die uns nicht 5:0 ab. Dunkel erinnere ich mich an den 2. Dezember 2003, ein 0:5 daheim im Pokal gegen Alemannia Aachen – allerdings immerhin im Achtelfinale. Damals konnten wir uns ab der 55. Minute (das fiel das 0:3) betrinken, das aber geht heute nicht…

Ach ja, das Thema Flutlicht-Ausfall und der 2:1-Sieg gegen den BVB in 2005: Klar, das war ein Erlebnis für alle Beteiligten, insbesondere für uns Fans. Aber ob Du das als Motivations-Schub den heutigen Spielern vermitteln kannst? Ich habe da meine Zweifel. Dafür taugt eher ein eigenes positives Erlebnis, das 5:4 gegen die Hertha in Runde eins zum Beispiel.
 

FanRadio ohne WLAN

Eintracht spielt mit einer sehr klar erkennbaren 5er-Kette hinten, Kaufmann muss dafür weit zurück, ebenso auf der anderen Seite Schlüter. Davor hat Trainer Meyer eine Doppel-Sechs postiert, mit Ben Balla und Kammerbauer, Kroos muss dafür draußen bleiben. Okay, nun wieder das Bangen wegen der frühen Gegentore dauernd…

Läuft aber erstmal, der BVB brennt so gar kein spielerisches Feuerwerk ab – mir ist’s recht. Robin flucht derweil über das WLAN und beschließt, dass wir den Rest des Streams über das Datenvolumen seiner SIM-Karte laufen lassen – was tut man nicht alles für die Eintracht.

Okay, nach vorne ist von uns nichts zu sehen, aber hinten stehen die fünf ganz gut – sage ich gerade in mein Mikro, da klingelt’s bei uns. Hummels nutzt nach einem scharfen Freistoß die Unsortiertheit in unserem Strafraum und ballert das Ding rein. „Scheiße“ sage ich auch noch ins Mikro – weil nun wird’s echt schwer…
 

Sorgen um Manni

Der BVB führt um Längen in der Statistik „Ballbesitz“, klar. Aber an die Wand spielen die uns nicht. Schade, dass Manni vorne so wenig spritzig und energisch wirkt – ich glaube, der Bursche hat Sorgen. Sorgen um sein Knie – und wahrscheinlich fühlt er sich auch ziemlich allein und einsam in Deutschland…

Egal, Fußball: Nach Fehlpass von Fejzic hat Brandt die Riesenchane zum 0:2 – verballert sie aber ziemlich grottig. Bär kann den Ausgleich machen – Hitz pariert. Bellingham trifft den Pfosten, aber so richtig Angst habe ich nicht. Halbzeit. Bier holen ist nicht, ich weiß.

„Sollte Meyer wechseln?“ fragt Robin mich – nö, dafür sehe ich keinen Grund. Möglichst lange kein weiteres Tor kassieren, selber mindestens eines schießen – die FanRadio-Kommentatoren glauben daran.

Wenn wir jetzt treffen…

Der BVB wechselt – Akanji kommt für Hummels. Nochmal schreie ich „Scheiße“ – Bär hat den Ball nach guter Vorarbeit von Manni an die Latte genagelt. Das wäre es gewesen, und wieder geht mein Kopfkino an: Jetzt 25.000 Leute hier und der Tempel würde lichterloh brennen. Danach kommt Reus für Brandt beim BVB – das sind Wechsel…

In der 72. Minute nimmt Meyer Koby raus, Yari Otto kommt. Der angeschlagene Wiebe wird durch Ziegele ersetzt. Mist. In der gut funktionierenden Ordnung etwas ändern zu müssen, finde ich blöd. Ja, der BVB ist besser – aber sie dominieren das Spiel nicht. Wenn wir jetzt treffen, dann geht’s in die Verlängerung… Proschwitz kommt in der 80. Minute, zusammen mit Kroos – los, macht ne Bude!! Ja, nee – es soll nicht sein. Fejzic rettet nochmal großartig, Kroos vergeigt einen Freistoß recht jämmerlich – und dann kontern sie uns in der Nachspielzeit aus – 0:2 durch den 100 Millionen-Mann Sancho.

Schlusspfiff – erhobenen Hauptes ausgeschieden, sage ich ins Mikrofon.

Eine Fussballmannschaft versammelt sich im Mittelkreis. Malte Schumacher
Auch nach der 0:2-Niederlage: Das Team steht zusammen.

Mein Wunschzettel

Zeit, noch ein wenig an Weihnachten zu denken – oder besser: Zeit für meinen Wunschzettel. Wir brauchen mindestens einen weiteren Innen-Verteidiger, sozusagen Nikolaou den Zweiten. Zudem einen Aussenverteidiger, sozusagen Benni Kessel als 25-jährigen. Sowie einen echten Stürmer, gerne einen Mix aus Proschi und Manni. Und Manni selber würde ich zur Bewältigung all‘ seiner Probleme noch in 2020 wieder nach Berlin zurückschicken – möge ihm dort von Union geholfen werden.

Unser Auftrag lautet anders: Klassenerhalt. Dafür wünsche ich mir die bedingungslose Unterstützung aller Beteiligten sowier aller Fans. Und ich wünsche mir die Pandemie-Besiegung, damit wir wieder alle zusammen im Stadion sein können…

Kay Rohn:

Europapokal und halbe Hähnchen:
Eintracht-Erinnerungen

Die Eintracht gehörte für mich immer dazu. Bei den Aufregungen, bei den Emotionen. Beim Fußballtraing mit Hannes Vogel, wenn alle in der Turnhalle des Wilhelm-Gymnasiums schon weg waren und er mit den Amateuren kam. Wir durften ab und zu mitspielen. Mir wurde ob der Schnelligkeit des Spiels fast schwindelig, schon damals.

Die Sportschau nach dem Stadionbesuch, der Eismann auf der Aschenbahn, der Eis und Wechselgeld zielgenau nach oben werfen konnte, all das sind schöne Erinnerungen an meinen persönlichen Teil der 125 Jahre. Große Spiele wie gegen Juventus Turin, Aufstiegsspiele, Freunde und Freundinnen, das halbe Hähnchen bei „Conni“ und noch viel mehr. Danke Eintracht!


Dortmund minimalistisch“

So titelt der Kicker zum Pokalspiel gegen die Eintracht. Eine Pokalschlacht war es jedenfalls nicht.

Als Marco Reus in der 63. Minute an der Seite stand, sich zur Erfrischung Wasser über den Kopf laufen ließ und eingewechselt wurde und in der 76. Minute Axel Witsel, später noch Thorgan Hazard dazu kam, war klar: die Dortmunder hätten jederzeit nachlegen können.

In neunzig Minuten gibt es immer die Möglichkeit zu einem Lucky Punch“, Marcel Bär hatte so eine Möglichkeit auf dem Fuß. Ja, das hätte das 1:1 sein können. Aber die ganze Spielanlage auf Braunschweiger Seite war darauf ausgelegt, das Ergebnis erträglich zu halten. 578 angekommene Pässe auf Dortmunder Seite, 256 bei den Blaugelben, das sagt viel aus.

 

Ein Fußballspieler macht sich zum Einwechseln bereit. Kay Rohn
Ein Luxus-Wechsel beim BVB: Marco Reus macht sich bereit.

Der Watzke-Clan im Businessbereich

Großes Licht für wenige Spieler und Zuschauer. Die Plätze sind vorbereitet und markiert. Der Heimbskaffee-Thermobehälter spendet das Heißgetränk wie zur Blutspende, im Businessbereich gibt es wenig Licht. Wenige Tische für jeweils zwei Personen stehen da, wie im Warteraum eines Schiffsanlegers in einem fernen nordischen Land. Aber schon diese Geste ist einladend, auch der Watzke-Clan wärmt sich dort auf. Die Dortmunder Delegation ist im Verhältnis zu anderen Spielen sogar recht groß.
 

Die Frage nach „Hoppy“ Kurrat

Vor dem Spiel begrüßen wir Malte, der mit Robin Koppelmann in der letzten Reihe das „Radiogeschäft“ aufbaut. So kommen einfach noch ein paar mehr O-Töne aus der Betonschüssel nach draußen.

Am Tag vor dem Spiel telefonieren wir. Ich frage ihn, ob ich sein BVB-Wissen testen darf. Er hat da schon Reporterqualitäten, aber als ich ihn nach dem Spitznamen von Dieter Kurrat frage, muss er passen. Der wurde „Hoppy“ genannt und spielte bis 1974 bei Borussia Dortmund. „Hoppy“ Kurrat, der 1,62 große Mittelfeld- und Abwehrspieler der Borussen, war einer der kampfstärksten Spieler seiner Zeit.
 

Minimalistisch zu Ende gebracht

Eintracht-Trainer Daniel Meyer wechselt erst ab der 72. Minute. Otto, Proschwitz und Schwenk kommen in die Mannschaft. In den Diskussionen nach dem Spiel taucht immer wieder die Frage auf: „Warum wechselt der Trainer so spät? Warum versucht er nicht, früher die Offensive zu unterstützen?“

Die Kabine ist wie immer „closed shop“, wir kennen den Matchplan nicht, wir kennen die Ansagen in der Kabine nicht. Vielleicht wollte Meyer so ein knappes Ergebnis mit in die nächsten Spiele nehmen.
 

Die goldenen Beine von Mats Hummels

Er ist einfach eine Spielerpersönlichkeit. Seine Spielanlage erinnert mich immer ein wenig an Franz Beckenbauer, Pässe mit Außenrist schlägt sonst kaum einer in der Liga. Aber es sind nicht nur Übersicht und Pässe, es ist auch die Fähigkeit, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein.

Und hier ganz speziell im gegnerischen Strafraum. Das 0:1 mit dem linken Fuß hatte Torjägerqualitäten. Immerhin hat er rund 100 Meter Distanz zwischen seiner angestammten Position und dem Elfmeterpunkt. Einen wie Mats Hummels in der Mannschaft zu haben, ist einfach Gold wert.
 

MML Podcast: Es gab schon bessere

Micky Beisenherz, Maik Nöcker und Lucas Vogelsang vom Podcast FUSSBALL MML werden als Sahnehäubchen von Sport1 vor und nach dem Pokalspiel vor dem Eintrachtstadion präsentiert.

Neben der „Wahren Liebe“ wurde ein etwa 60 qm großer „Weihnachtskäfig“ für die drei installiert. Drei? Nein es waren dann doch nur zwei. Einer, der Micky, wurde aus seinem warmen Hamburger Wohnzimmer dazugeschaltet. Da saßen dann zwei anerkannte Fußballwissensträger, die über das Spiel und die Dortmunder im Besonderen schwadronierten, Eintracht fand kaum Erwähnung. Allerdings wenig lustig, auch die zu später Stunde gezündete Schneerakete transportierte nicht wirklich Emotionen.

Auch hier, würde ich sagen, ist Minimalismus angesagt; Geht doch einfach ins Studio, liebe MML, und nehmt einen Podcast auf - vielleicht sogar etwas besser auf das Spiel vorbereitet.