Das Wappen des Gästevereins. Kay Rohn

Stadionfunk Eintracht Braunschweig:
Wehe, wenn Wehen kommt

Oder: Was für eine Mannschaft reift da heran? Am Samstag jedenfalls war der SV Wehen-Wiesbaden zu Gast im Eintracht-Stadion. Und zum wunderbaren ersten Mal nach langer Zeit wieder tausende Zuschauer. Zwei von ihnen waren Malte Schumacher und Kay Rohn. Hier lest Ihr ihren Bericht über viele optimistische Fans, großen Durst und einen ganz großen Kleinen.

Erst die Arbeit, und dann…

Matchday – ich muss aber erst noch schnell was wegarbeiten am Vormittag… ein Projekt zum Thema „Trachten im Braunschweiger Land“. Klingt erstmal richtig old school, ist aber spannend und hat gerade auch mit unserer Eintracht zu tun. Das macht schon der Titel klar – Katalog und Ausstellung heißen „EinTRACHTEN“ und die Eröffnung ist für April 2022 geplant.

Später als sonst also komme ich dazu, mich mithilfe von NB und BZ auf das Spiel gegen den SV Wehen-Wiesbaden vorzubereiten. „Eklig und gereift“ – so beschreibt unser Trainer Michael Schiele den Gegner. Sein seit 2017 dort arbeitender Kollege Rüdiger Rehm ist unter der Woche geflogen – ich höre schon die Kurven-Experten für gefühlte Statistik sagen: „Gegen Teams, die gerade ihren Trainer gefeuert haben, hat Eintracht immer verloren“. Ist klar.


Meine Aufgabe heute: Kindermädchen

Nun aber losgeradelt – ich will heute mal wieder an Vor-Pandemie-Traditionen anknüpfen und eine Stunde vor Anpfiff in Block 6 sein.
Die Tageskassen sind wieder geöffnet, und Trainer Schiele wünscht sich laut BZ „solche Schlangen vor den Kassen, dass das Spiel vielleicht zehn Minuten späten angepfiffen werden muss“.

Auf dem Theaterwall klingelt mein Telefon, Thom ist dran: „Also, ich bin dabei heute – wie komme ich an ein Ticket und wo stehst Du nochmal?“. Okay, meine heutige Aufgabe ist klar: Ich übernehme die Aufgabe des Kindermädchens für seltene Stadion-Gänger. „Rechtzeitig an der Kasse anstellen, Block 6 verlangen“ – mehr gibt’s nicht zu antworten…

Eine Menschenschlange vor den Kassen am Eintraxcht-Stadion. Malte Schumacher
Eine lang vermisste Spezies: Die Kassenschlange.

Tipps, gebt mir Eure Tipps!

Vor der Südkurve in der Rheingoldstraße treffe ich auf Carsten und Jens – „2:0“ ist der gemeinsame Tipp. Okay, Optimismus ist also da. Das gilt auch am Stammtisch-Wagen der „Conti-Boys“ aus Block 8, klingt aber anders: „3:2“, und ich höre Respekt raus vor dem Gegner.
Ich mache weiter meine Runde, und vor dem Haupteingang treffe ich auf Anikó, Robert und deren Begleiter. Darunter auch Ion, Roberts Sohn, der mir ausführlich und sehr überzeugend vermittelt, dass es heute ein spannendes „4:3 für Eintracht“ geben wird. Ich werfe noch einen Blick auf die Tageskassen: Ja, Michael Schiele wird erhört, die Fans stehen Schlange…

Optimismus überall…

Schnell wieder zurück – vor der Shell-Tanke parkt gerade ein Auto aus KH (Bad Kreuznach, Rheinland-Pfalz), und zwei Blau-Gelbe steigen aus. Ich frage, ob ich ein Foto machen darf für den Stadionfunk. „Bist Du Malte?“ fragt der Fahrer zurück. Wahnsinn, wir sind deutschlandweit eine Marke… Nein, Carsten kennt den Stadionfunk, weil ich die Eintracht-Gruppe bei XING immer mal damit füttere. Auch er und Tochter Hannah-Louise glauben an einen Eintracht-Sieg heute.

Mex und Kay, die ich auf dem Weg in die Südkurve treffe, frage ich erst gar nicht nach einem Tipp – die sind auf Heimsieg programmiert…

Was für eine Mannschaft reift da heran?

Kay: Auf der Rheingoldstraße kurz vor der Tankstelle treffe ich Malte: „Ich weiß schon den Titel für unseren „Stadionfunk““, begrüße ich ihn, „Was für eine Mannschaft reift da heran?“  Wir fotografieren uns gegenseitig als Dokument unserer blaugelb-seligen Verbundenheit und gehen unserer Wege, zur Südkurve und zur Haupttribüne, zwei Perspektiven.

Am Bus der Wiesbadener ist natürlich das Vereinswappen zu sehen. Schaut man etwas näher hin, erkennt man drei stilisierte Lilien. Die drei kleinen Beigaben im Vereinsemblem sind vielleicht der Schlüssel für die eher dezente Trikotfarbe: schlicht Grau mit blauen Applikationen. Soll das Trikot auf eine Ritterrüstung anspielen? Man könnte auf den Gedanken kommen…

Thom findet Block 6!

Oben in Block 6 dann klingelt wieder mein Telefon: „Hier ist Thom, ich stehe vor Block 6 – wo muss ich denn jetzt hin?“ – alter Schwede, geh‘ halt die Treppe hoch, dann winke ich. Tatsächlich – er schafft auch das.

Wir fachsimpeln mit den Fanclub-Damen und -Herren über die Aufstellungen: Krauße und Nikolaou auf der Doppel-Sechs, hinten rechts spielt Görlich (21 Jahre alt) für Wiebe. Wiebe und Consbruch sind gar nicht im Kader. Seitenwahl – wir verlieren diese gleichsam, denn der gegnerische Torwart steht in Halbzeit 1 in „unserem Tor“ vor der Südkurve. Wir begrüßen ihn angemessen und lautstark.

Eintracht-Fans in Block 6. Malte Schumacher
Endlich wieder dabei sein. Für die Eintracht-Fans in Block 6 gibt es kaum etwas schöneres.

Die erste Chance…

Anpfiff. Wir trinken Bier miteinander, das Wetter ist großartig und noch immer dominiert die Freude, manche Bekannte nach langer Zeit endlich mal wiederzutreffen. Dann ein Freistoß für uns, ich prophezeie „Behrendt, Vollspann!“ – so kommt es auch, leider aber direkt auf den Körper des Torwarts. „Wir wären mit reingeflogen“ sagt Andreas trocken. Oh ja…. Schade, das Ding etwas weniger mittig, und wir hätten Bier-duschen können.
 

Das Gegentor

Der SVWW steht gut hintendrin, und ja, sie gehen eklig-aggressiv zur Sache dabei. War aber klar, darf uns nicht stören. Erste Ecke für den SV Wehen nach einer Viertelstunde drüben vor der Nordkurve, der Ball rutscht und trudelt nah am Fünfer durch unsere Box, und irgendein Roter stochert das Ding rein. Weil kein Blau-Gelber vorher ein Körperteil dazwischen bekommen hat – meine Erklärung. Mist, 0:1. Die Eintracht aber spielt weiter nach vorne, auch die Fans schütteln sich nur kurz und feuern dann an. Henning ballert mal drauf, der SV Wehen wiederum kontert. Ich muss an Ions 4:3-Tipp denken….

Fans im Eintracht-Stadion. Kay Rohn
Endlich wieder mal was los hier: Fans im Eintracht-Stadion.

Auch Jasmin macht mal einen Fehler

Der Gegner presst aber auch hoch zuweilen, und Schultz spielt einen riskanten Rückpass auf Fejzic, der davon kalt erwischt wird – er hat wohl den zweiten Gegner links vor sich nicht auf dem Schirm. Thiel heißt der Bursche, und er klaut Jasmin den Ball und schiebt ihn über die Linie. 0:2 nach 23 Minuten. Der Fehler ausgerechnet vom starken Fejzic – egal, kann passieren. Schultz zeigt heute leider, dass er immer mal ein Spiel dabei hat, in dem er neben sich steht.

Puh, nun brauchen wir schon in der Halbzeit-Pause massive Veränderungen. Unsere Mutmaßung: Pena Zauner raus, und Girth rein als zweite Spitze. Denn eine echte Torchance hatten wir nicht im ersten Durchgang…
 

Sümnich: „Fast immer die falsche Möglichkeit gewählt“

Kay: Nach 23 Minuten denke ich nochmal über den Titel der Kolumne nach. Ist da doch noch nicht so viel passiert in der Mannschaft? Bekannte Muster tauchen auf. Rückpass statt Aufbauspiel. Lange Bälle nach vorn, wenig kreatives Aufbauspiel. Ist das jetzt ein Rückfall? 

Torsten Sümmnich, neues Aufsichtsratsmitglied bei der Eintracht, meinte im Fantalk am Montag nach dem Spiel: „Als Spieler hast Du immer zwei Möglichkeiten und die Spieler haben fast immer die Falsche gewählt.“ 
 

 

Halbzeitpause:
Bier holen, Koby aufs Feld schicken

Wir holen Bier, und Michael Schiele beatmet die Jungs in der Kabine. Neu kommen dann sogar gleich zwei Spieler: Girth und Koby. Koby sicherlich mit dem klaren Auftrag, die Torgefahr zu erhöhen – durch eigene Abschlüsse, Standards sowie finale Pässe und Flanken. Raus gehen Görlich und wie erwartet Pena Zauner. Und Koby ballert auch gleich mal drauf aus der zweiten Reihe – Startschuss zur Aufholjagd.

Fünf Minuten später schlägt Nikolaou einen Diagonalball von rechts hinten zu Koby auf links außen, und Koby passt den Ball perfekt in die Spitze auf Lauberbach – 1:2. Yes! Abklatschen, und weiter laut anfeuern!
 

Lösungen müssen her

Vom Gegner kommt nicht mehr viel nach vorne, die wollen die drei Punkte intensiv verteidigend sichern und spielen ein 5-4-1. Kann man machen, wir brauchen nun Lösungen dafür. Bei uns kommen Kiwi und Müller, aber echte, brenzlige Torgefahr kriegen wir nicht auf den Rasen. In Halbzeit 1 wollten wir viel zu oft durch die Mitte, und nun in Halbzeit 2 steht Wehen einfach sehr massiv und tief. Schwierig. In der 85. Minute kommt mit Strompf noch eine lange Latte für den lucky Kopfball-Punch. Kurz danach geht Taffertshofer mit glatt Rot duschen – wir sind nun also einer mehr! 5 Minuten Nachspielzeit aber nützen auch nichts mehr – Schlusspfiff.

Ein Junge und drei Erwachsene vor dem Eintracht-Stadion. Der Junge hält ein Schild in die Kamera. Malte Schumacher
Der kleine Henry ist heute der Größte - auch aufgrund seiner großartigen Spenden-Sammel-Aktion.

Kleiner Henry ganz groß!

Schade – wenigstens noch der Ausgleich wäre mehr als verdient gewesen. Schlechte Laune aber hat keiner von uns – da wächst was zusammen in unserer Mannschaft, das ist auch heute spürbar gewesen.

Wir trinken hinter der Südkurve noch ein Bier, das perlt heute aber auch wieder, und ich entdecke einen kleinen Mann mit ganz hohen Pfandbecher-Stapeln. Das ist Henry, und Henry sammelt für Chiara. Henry, Du bist der Größte! Auch wir geben ihm natürlich unsere Pfandbecher – und uns wird mal wieder klar, dass es viel wichtigere Dinge gibt im Leben als Heimniederlagen. Und dass die Eintracht-Familie gerne hilft….

Spieler auf dem Rasen im Eintracht-Stadion. Kay Rohn
Nach dem Spiel: Auch die etwas unglückliche 1:2-Heimniederlage kann die positive Grundstimmung kaum trüben.

Kein Durchmarsch

Kay: Ich bin fest davon überzeugt, dass der eingeschlagene Weg Erfolg haben wird. Dass nach 14 Spieltagen die Mannschaft einen Sieg nach dem anderen einfährt, ist kaum anzunehmen. Es war ein kleiner Rückschlag zur richtigen Zeit. Es fehlte die letzte Aufmerksamkeit, die letzte Konzentration.

Das zweite Gegentor wurde bereits an der eigenen Eckfahne vertändelt und war nur bedingt ein Fehler von Fejzic. Auf der rechten Seite hatte ich mich auf Görlich gefreut, der aus Hoffenheim zu uns kam. Ihm wird nachgesagt, dass er eine hervorragende Ausbildung hatte und ein sehr interessanter Perspektivspieler sei. Aber auch er schien anfangs nervös, danach stand er oft frei und bekam den Ball nicht. So entstand eine Unwucht auf dem Platz und deshalb wohl auch die Auswechslung zur Halbzeit. Ich hoffe, er bekommt bald wieder eine Chance.

Multhaupt hat sich schon viel stärker eingebracht und nahm nach der Halbzeit den Platz als rechter Verteidiger ein.

Und dann ist da noch Koby. Seine Leistungen nach Einwechslungen sind jedes Mal sehr gut und er vermittelt eine große Portion Torgefahr. Im richtigen Spiel, zur richtigen Zeit, wird er uns helfen können. Ich find es gut, wie er mit seiner Situation derzeit umgeht und Teil der Mannschaft ist, das war nicht immer so.
 

„Kampfschwein“ oder „Hacker“?

Einfach eine Sensation, jetzt schon dauerhaft, ist Bryan Henning. Was er allein im Pressing beim Gegner verursacht, ist weit mehr als 3. Liga. Henning entwickelt sich mehr und mehr zu einer Braunschweiger Type.

Im Fantalk kam die Frage auf, wie er den Begriff „Kampfschwein“ fände. Er meinte sinngemäß dazu, dass er ja eher ein „Hacker“ sei. Henning sieht sich also schon sehr kampfbetont, aber er ist auch sehr wertvoll im schnellen Umschaltspiel der Braunschweiger.
Bei seiner Auswechslung skandiert das Publikum seinen Namen. Dazu meint er: „Das macht einen schon stolz, wenn man erst drei Monate hier ist.“

In der Wahren Liebe sitzt Robin Krauße mit Peter Vollmann, Michael Schiele und Bryan Henning zusammen. Auch er ist erst seit kurzer Zeit in Braunschweig, aber in jedem Satz schwingt trotzdem sehr viel Stolz mit, bei der Eintracht spielen zu dürfen. Er macht Tore und bereitet selbst welche vor - etwas, das ihm bei seinen letzten Stationen nicht so gut geglückt ist.

Bei allen Gästen im Fantalk war die Zuversicht zu spüren, dass Eintracht auf einem guten Weg ist. Dass wir eine gute Qualität auf und neben dem Platz haben. Im besten Fall entsteht hier eine neue Generation Eintracht Braunschweig, und es gehören alle dazu.