Von Harz bis Heide gehen die Menschen seit jeher individuelle Wege – auch im Hinblick auf das Dach über ihrem Kopf. Ob Penthouse oder Landgut im Grünen oder im schmalsten Haus der Stadt: Wir habe Menschen der Region Braunschweig-Wolfsburg in ihrem Zuhause besucht.
Von Landgut bis Penthouse:
So wohnt die Region
Inklusiv – Wohnen im St. Leonhard Quartier in Braunschweig
Etwas versteckt, aber im Herzen Braunschweigs, liegt das St. Leonhard Quartier. In 50 Wohneinheiten in Sichtweite zur namensgebenden St. Leonhard Kapelle leben derzeit 49 Menschen mit Behinderungen. Betreut werden sie von der Neuerkeröder Wohnen und Betreuen GmbH. Zwei von ihnen sind Saskia Heldberg und Jan Westphal. Beide leben seit März 2020 hier, also seit die Einrichtung eröffnet ist. Von hier aus gehen die beiden ihren täglichen Beschäftigungen nach.
Die 22-jährige Heldberg hat einen Arbeitsplatz auf dem Kuba Bildungscampus der Mehrwerk gGmbH in Wolfenbüttel gefunden. „Ich kümmere mich im Qualifizierungsbereich des Digitallabors um den Social Media Auftritt. Da kann ich kreativ arbeiten“, erzählt sie. Zur Arbeit fährt sie mit dem Bus. „Dafür haben wir extra ein Bustraining gemacht“, erzählt Maximilian Hahn. Der 32-Jährige ist Erzieher und Mitarbeiter in der Einrichtung. „Fördern und fordern“ laute das Motto. In ihrer Freizeit zeichnet sie, guckt Filme und tanzt zu K-Pop.
Auch Westphal geht einer Beschäftigung nach, im Marienstift gleich um die Ecke. „Ich arbeite dort als Servicekraft“, erzählt der 24-Jährige. „Ich übernehme hauswirtschaftliche Tätigkeiten, kümmere mich etwa um das Essen und Trinken für die Fortzubildenden im Marienstift oder schmücke beispielsweise zu Ostern oder zu Weihnachten die Räume.“ Nach der Arbeit zockt er gerne Computerspiele, erzählt er beim Gespräch im Garten der Einrichtung.
Im Quartier können die Bewohner – die jüngste ist 18, der älteste 87 Jahr alt – für sich bleiben oder die Gemeinschaft suchen. Sie veranstalten Filmabende, Kochen gemeinsam oder Kickern in einem der großen Gemeinschaftsräume. Einige der Bewohnerinnen und Bewohner brauchen viel Pflege, andere, wie Heldberg und Westphal, leben quasi autonom. Es gibt gemeinsame Fahrten, kürzlich etwa zu Mario Barth nach Hannover und demnächst nach Dänemark, oder Feste wie das Weihnachtsgrillen.
„Wir wünschen uns, dass sich die Menschen hier persönlich weiterentwickeln“, sagt Thomas Pöllmann von der Unternehmenskommunikation der Evangelischen Stiftung Neuerkerode, welche die Einrichtung unterhält. Dafür hat die Stiftung ein Versorgungsnetzwerk zwischen ihren Einrichtungen gespannt, so dass Arbeit, Weiterbildung, Pflege und Wohnen unter dem Dach der Stiftung geschehen kann. Nur Heldbergs Tanzkurs nicht. Aber das kommt vielleicht noch.“
Der Traum vom eigenen Hof
Wenn Nina Schlosser und ihr Freund Christian Hahnfeld ihr Familienlandgut in Salzgitter-Lesse einmal ausgebaut haben, wird alles unter einem Dach versammelt sein: Zwei Katzen, zwei Hunde, Christian und Nina sowie Mutter und Vater Hahnfeld werden hier zusammenleben.
„Vorher haben wir in einer Dachgeschosswohnung in Timmerlah gewohnt“, erzählt Christian Hahnfeld, als wir die beiden auf ihrem Hof besuchen. Den Traum, einmal ein Landgut selbstständig auszubauen, hatte er schon immer. Dort sollte nicht nur Raum für die Familie, sondern auch für ihre Haustiere sein.
Nach rund zwei Jahren Suche war es im Februar 2022 schließlich so weit und das Paar konnte einen historischen Landhof aus dem Jahr 1804 in Salzgitter sein Eigen nennen. Sie sind direkt eingezogen und seitdem herrscht dort Baustelle: Auf knapp 150 Quadratmetern Wohnfläche im ersten Stock des Bauernhauses werden zukünftig Christian und Nina leben, im Erdgeschoss beziehen die Eltern Hahnfeld gut 110 Quadratmeter.
Eine weitere Ausbaureserve befindet sich unter dem Dach. Perspektivisch soll hier ein Heimkino eingerichtet werden. Auch eine Sauna sowie ein Fitnessstudio sind angedacht – doch das ist noch Zukunftsmusik. Mit dem Umbau stressen sich die beiden nicht, schließlich sind sie voll berufstätig. „Natürlich möchten wir gerne so schnell wie möglich fertig sein, aber wir machen uns keinen Zeitdruck“, erklärt Nina. Im Sommer 2022 soll der Umbau im Gröbsten durch sein.
„Zugegeben, anfangs mussten wir uns mit der Idee, gemeinsam unter einem Dach zu leben, erst noch anfreunden“, erzählt Christians Mutter, Manuela Hahnfeld. „Aber wir freuen uns, dass die Kinder uns solches Vertrauen entgegenbringen – gerade vor dem Hintergrund, dass wir ja auch älter und gebrechlicher werden.“ Inzwischen ist die Vorfreude groß. Und irgendwann – ist sich Christian sicher – wird dann auch noch die dritte Generation unter dem Dach des Familienlandguts einen Platz finden.
Das schmalste Haus Wolfenbüttels
Gerade einmal 2,20 Meter, also zwei großzügige Schritte, misst die Frontbreite des schmalsten Fachwerkhauses im Herzen von Wolfenbüttel. Im Jahr 2017 erstand Wiebke Benstein das Kleinod, das nur einen Katzensprung vom Stadtmarkt entfernt liegt. An den Wochenenden wohnt sie hier gemeinsam mit ihrem Ehemann, ihrem Kind und ihren Eltern. Unter der Woche leben dort zwei Bekannte, die in der Region arbeiten.
„Erbaut wurde das Haus 1751. In den 1980er-Jahren wurde es schließlich von dem Hannoveraner Architekten Han Slawik gekauft“, erzählt Benstein von der jüngeren Geschichte des Hauses. Slawik, der für seine Containerbauten bekannt ist, hinterließ auch in dem Fachwerkhaus seinen charakteristischen Fingerabdruck: Eine leuchtend rot lackierte Stahlträgerkonstruktion stützt das Haus von innen, Schwalbenblech begrenzt die Decken im Treppenhaus. Ebenjenes ist auch das Herzstück des Hauses. Eine Wendeltreppe schraubt sich in der Mitte des Hauses bis in den vierten Stock.
Besonders im Sommer sei es angenehm kühl in dem Altbau, sagt Benstein. „Das Haus ist nicht hermetisch abgedichtet, es atmet sozusagen“, beschreibt sie die Temperaturregulation des aus Lehm und Stroh bestehenden Hauses. In den 1990er-Jahren wurde diese nachhaltige Dämmung zuletzt erneuert.
Das schmalste Haus ist zwar schmal, doch klein wirkt es im Innern keinesfalls. Die Räume sind lichtdurchflutet und die offene Wohnküche im Erdgeschoss mündet in einen großzügigen Wintergarten. Zwei Schlafzimmer, eine Dusche sowie ein Arbeits- und Lesezimmer stapeln sich in der Vertikalen übereinander. Lediglich das Badezimmer „gleicht der Toilette in einem ICE“, zitiert Benstein die Einschätzung eines früheren Besuchers und lacht. Das Fachwerkhäuschen hat eben Charakter und ist ein heimlicher Hingucker mitten im Herzen von Wolfenbüttel.
Alterssitz mit bester Aussicht
Von seinem Balkon aus kann er ihn sehen, den Steimker Berg. Denn Jürgen Leininger lebt im Osten Wolfsburgs. Vor anderthalb Jahren zog der berentete VW-Ingenieur aus der Nordstadt in die Steimker Gärten. Altersgerecht sollte die neue Heimat sein – mit Tiefgarage und Fahrstuhl. Denn: „Hier bleibe ich“, sagt der Mann mit den weißen Haaren.
Ob er den Fahrstuhl schon braucht, ist fraglich. „Ich fahre täglich 20 bis 40 Kilometer mit dem Fahrrad. Gerne unternehme ich Touren zu den Seen in der Umgebung, wie dem Tankumsee oder dem Allersee“, erzählt der 74-Jährige. „Hier ist meine neue Mitte“, beschreibt er seine Wohnung. Damit meint er auch, dass er von hier aus am besten seine Mutter in Hamburg oder seinen Sohn in München erreichen kann – zum Bahnhof sind es gerade einmal zwei Kilometer.
Er zog früh in der Bauphase in das Viertel, das von VW Immobilien entwickelt wird. Überall um seinen Appartementkomplex sprießen auch aktuell noch Gebäude aus dem Boden, Gerüste stehen an vielen Häusern und in der Ferne röhren Bohrer. „Der Baulärm stört mich aber nicht“, sagt Leininger. „Und 2025 sollen alle Arbeiten abgeschlossen sein.“
Leininger hat sich seine Zwei-Zimmer-Wohnung geschmackvoll eingerichtet. Klare Linien prägen die Wohnung, deren Wände er mit selbst gemalten Bildern in gedeckten Farben verziert hat. Dieses Hobby hat er vor einigen Jahren angefangen, genauso wie das Singen im Chor. Dunkle Holz- und Ledertöne kontrastieren die weißen Wände. Die Einrichtung ist modern, so wie Leininger selbst auch, der den Weg zum Bahnhof auch schon einmal mit dem E-Roller zurücklegt.
Seine Abende verbringt Leininger gerne auf seiner Dachterrasse, die ganze 24 Quadratmeter groß ist. In den Abendstunden sorgt eine LED-Leiste, die Leininger unter dem Geländer angebracht hat, für stimmungsvolles Licht. Dann trinkt der 74-Jährige gerne ein Glas Wein – im Sommer Grau- oder Weißburgunder – und genießt die Aussicht auf den Steimker Berg.
Der Businesscamper
Er lebt nicht in der Region Braunschweig-Wolfsburg, aber er gehört doch fest hier her: Andreas Kirschenmann ist der Präsident der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg sowie der Industrie- und Handelskammer Niedersachsen. Er lebt mit seiner Familie in Stade. Aber er schläft nicht im Hotel, wenn er in der Region von Harz bis Heide unterwegs ist.
Denn der Geschäftsführer der GASTROBACK GmbH fährt überzeugt Wohnmobil. In ihm genießt er die Freiheit der Straße. „Ich muss nur den Kühlschrank befüllen und dann: Attacke!", sagt Kirschenmann, der Geschäftsreisen durch ganz Niedersachsen und darüber hinaus in seinem Camper unternimmt. So hat er beispielsweise auch schon einmal eine IHK-Präsidiumssitzungen vom Elbufer aus geführt.