In Wolfenbüttel und Umgebung ist allerorts Historisches zu entdecken. Was liegt da näher, als eine museale Aufbereitung? Doch nicht nur Geschichte wird hier dargestellt und so habe ich mir im Landkreis Wolfenbüttel einige ungewöhnliche Museen näher angeschaut.
Teil 1: Kuriose und ungewöhnliche Museen im Landkreis Wolfenbüttel
Ein ungewöhnliches „Kaffeehaus“ – das Kaffekannenmuseum in Eitzum
Im kleinen Ortsteil Eitzum bei Schöppenstedt beginnt vor über 40 Jahren die Geschichte des ungewöhnlichen Kaffeekannenmuseums im Hotel & Ferienhof Beutel ganz banal: „Schraub mal ein paar Haken an die Decke, damit ich die alten Kaffeekannen dranhängen kann“, bat Doris Beutel ihren Mann. Die guten Stücke waren zu schade zum Wegwerfen, aber belegten nur unnötig Platz im Schrank und so wurden die ersten Kannen an die Decke gehängt.
Inzwischen hat sich die Anzahl vervielfacht – ach was, vertausendfacht! Auf meine Frage, wie viele Kannen das Museum inzwischen beherbergt, kann mir Roland Beutel gar keine genaue Zahl nennen. „Über 6.000 Kannen sind es aber ganz sicher. Und wir bekommen laufend neue Kaffeekannen dazu – jetzt im Juli wird eine neue Lieferung mit 500 Kannen erwartet.“ Die Sammelleidenschaft ist also noch längst nicht gestillt. Auch das Fernsehen ist schon auf das ungewöhnliche Haus aufmerksam geworden. Der NDR war zu Besuch, ebenso wie die Sendung „Außenseiter – Spitzenreiter“ – und alle waren genauso fasziniert wie ich.
Kreative Formen und Sammlerstücke
Putzige Kannen sind zu entdecken, unter anderem in Form eines kleinen Elefanten, aber auch klassische Dekore mit Blümchen oder Goldrand. Etliche der Sammlerstücke wurden von Gästen des Cafés oder des Ferienhotels gespendet. Auch viele Porzellanmanufakturen haben der Familie Beutel Kaffeekannen geschickt. Nur die berühmteste aus Meißen nicht. Aber auch ohne Meißener Porzellan (oder vielleicht ist doch das ein oder andere gespendete Stück dabei – wer weiß?) ist die Sammlung beeindruckend. Ergänzt wird sie durch zierliche Mokkatassen und Kaffeemühlen aus den Jahren 1920 bis 1925, die übrigens alle noch voll funktionsfähig sind!
Ein ganz besonderes Kännchen
Welches ist die teuerste Kanne? Die Beutels müssen nicht lange überlegen. Roland Beutel geht in den kleinen Raum hinter den großen Minges-Kaffeebehältern und holt eine weiße Kanne mit gold-grünem Blätterdekor hervor, sie ist zwischen 60 und 70 Jahre alt und stammt aus Ungarn, aus der Porzellanmanufaktur Herend, die in Handarbeit fertigt und ausschließlich 1. Wahl verkauft. Ein ganz besonderes Exemplar ist auch die wahrscheinlich älteste Kanne der Sammlung aus Fürstenberger Porzellan, deren silberne Verzierung zeigt, wofür sie einst gefertigt wurde: „Zur Silbernen Hochzeit“ am 28. Oktober 1890.
Kommt vorbei!
Im hinteren Teil des Ferienhofs fällt mir auf, dass unter dem Dach Kannen hängen, die alle gleich aussehen. „Das stimmt, hier wurden uns von der Graf von Henneberg Porzellanfabrik aus Ilmenau, die im Jahr 2002 ihre Produktion einstellen musste, 1.500 gleiche Kannen angeboten“, erinnert sich Beutel.
Das Kaffeekannen-Museum hat mittwochs bis sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Und was könnte näherliegen, als im Café noch ein schönes Stück Kuchen (40 Sorten Torte gibt es) passend zu Kaffee und den Kannen zu genießen? Wer im Hotel der Beutels, das übrigens direkt am Radweg Berlin-Hameln liegt, ein Zimmer nimmt, wird nichts vom weißen Gold sehen: „Das sind die einzigen Räume, in denen wir keine einzige Kanne gestellt haben!“, meint Roland Beutel lachend.
Das Kuba-Museum in Wolfenbüttel
Bei Kuba denke ich an Sonne, Strand, Musik und Meer – doch weit gefehlt. Das Kuba-Museum in Wolfenbüttel hat nichts mit der gleichnamigen Insel zu tun, deren farbenfrohe Flagge mir sofort in den Sinn kommt. Doch im weitesten Sinne liege ich mit Musik nicht ganz falsch. Denn im Kuba-Museum sind sogenannte Tonmöbel zu bewundern! Uwe Erdmann, pensionierter Diplom-Ingenieur der Nachrichtentechnik und damit ausgewiesener Fachmann, führt mich durch die 600 Quadratmeter große Ausstellung des Kuba Tonmöbel e. V. im 4. Stock des Kuba-Gewerbehofes in Wolfenbüttel.
Zuerst zeigt mir Uwe Erdmann den ersten Verkaufsschlager, den Gerhard Kubetschek 1949 auf den Markt brachte: die liebevoll „Brotkasten“ genannte Musiktruhe „Traviata“. Auf dem brotkastenförmig anmutenden Schrank steht ein Radio, das zur Wiedergabe nicht nur Funkempfang benötigt, denn öffnet man den „Brotkasten“, kommt ein Plattenspieler zum Vorschein. Die Schelllack-Platten, die darauf abgespielt werden können, sind ganz schön schwer. Kein Vergleich zu meinen damals heißgeliebten Langspielplatten aus Vinyl.
Die Kuba Tonmöbel
Nach und nach entwickelte Kubetschek seine Tonmöbel weiter. So hatte das Folgemodell schon einen integrierten Schallplattenschrank. Allerdings mussten alle Geräte zugekauft werden, die Firma „Kuba“ stellte nur die Möbel her. Das änderte sich zehn Jahre nach der Gründung, denn im Jahre 1958 kaufte Kubetschek die insolvente Firma Imperial aus Osterode, die eigene Musikgeräte herstellte. So konnte „Kuba Tonmöbel“ fortan eigene Fernseh- und Rundfunkgeräte einbauen. Nur die Schallplattenspieler mussten weiterhin zugekauft werden.
Wieso eigentlich Kuba?
Warum eigentlich „Kuba“, will ich von Uwe Erdmann wissen. Der Nachrichteningenieur erzählt schmunzelnd: „Gerhard Kubetschek, der aus Breslau stammte, musste zum Militär. Sein Vorgesetzter fand den Namen aber viel zu kompliziert und beschloss ‚Du heißt ab jetzt Kuba bei mir!‘“ Das inspirierte den Unternehmer zum Firmennamen – wobei sicher auch die Exotik der Insel und die Sehnsucht nach fernen Ländern eine Rolle gespielt haben könnte.
Fernweh rufen auch die Namen der Möbel hervor. So kann man eine ganze Rundreise durch Italien starten: Venetia, Napoli, Capri und Toskana heißen die guten Stücke beispielsweise und liegen damit voll im Zeitgeist der Wirtschaftswunderjahre, als Italien das Traumurlaubsland Nr. 1 war. Die Truhen und Schränke aus Wolfenbüttel fanden sich 1954 in gut 250.000 Wohnzimmern, denn so viele Möbel hatte die Kuba-Fabrik zu dem Zeitpunkt bereits verkauft, weiß Uwe Erdmann zu berichten. In diesem denkwürdigen Jahr hielt dann auch der damalige Wirtschaftsminister Ludwig Erhard selbst die Laudatio auf das viertelmillionste Jubiläumsstück.
Milano, Lugano und Napoli
Wer in der Nachkriegszeit etwas auf sich hielt und es sich leisten konnte, hatte zwischen Nierentisch und Cocktailsessel das Sondermodell „Milano“ stehen. „Dieser Musikschrank war genau richtig für die Party, links im Schrank stehen die Gläser in der Bar und rechts findet sich das Radio, das die Musik spielt“, demonstriert mir der 1. Vorsitzende des Kuba Tonmöbel e. V. im kleinen Nachbau eines 1950er-Jahre-Wohnzimmers. Im nächsten Modell „Lugano“ war zusätzlich noch das Barfach verspiegelt. Bereits 1950 bis 1952 konnten sich die Wohlhabenderen eine „Napoli“ leisten, ihre Besonderheit: Sie wird durch einen Motor gesteuert, der sie automatisch öffnet und schließt. Nicht zu übersehen ist übrigens, dass Gerhard Kubetschek eine Vorliebe für dunkle Hölzer hatte, nur selten sind hier hellere Möbel zu sehen.
Highlight der Sammlung – der Komet
Das Prachtstück der Sammlung ist jedoch die „Komet“ – ein Designstück, das extra für die Funkausstellung 1958 entworfen wurde. Sie enthält alles an Unterhaltungselektronik, was es damals gab und das in einem sehr futuristischen Korpus. Ausladend, eben wie ein „Komet“, benötigt sie viel Platz und war für die damalige Zeit fast so teuer wie ein Käfer, 3.498 DM musste man für sie hinblättern. Aber mit ihren acht Lautsprechern und der (damals noch drahtgebundenen) Fernbedienung war sie sicher ein absolutes Highlight. Von den 900 Stück, die gebaut wurden, haben nur 14 überlebt und gleich zwei davon stehen in Wolfenbüttel: eine hier, im Kuba-Museum und seit Mai 2017 auch im Bürger Museum.
Uwe Erdmann zeigt mir noch einen Kuba-Schrank aus dem Jahr 1958: „Die ‚Gabriela‘ ist so schwer, dass man gleich vier Möbelpacker brauchte, um sie umzusetzen!“, lacht er. Und weil wir uns jetzt schon im nächsten Museumsraum befinden, weist er mich gleich auf die besonderen TV-Geräte hin, die es hier zu sehen gibt. Der „Astronaut“ aus dem Hause Kuba, ein tragbarer Fernseher, ist hier ebenso zu bewundern wie der erste Farbfernseher von 1956 oder das alte voll betriebsbereite Fernsehgerät von Marconi (gebaut 1937), von dem weltweit nur noch zwei Exemplare überhaupt funktionieren.