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Täter schneller fassen
Wie das Start-up CrowdWatch Fußballstadien sicherer macht

Bei den jungen Gründern des Start-ups CrowdWatch dreht sich gerade alles um das Thema Fußball. Doch nach Fanschals sucht man in ihrem lichtdurchfluteten Büro an der Technischen Universität Braunschweig vergebens. Die vier Informatiker und ein Unternehmensberater wollen schlicht Fußballstadien sicherer machen. „Wir entwickeln eine Technik, die Polizeibeamten im Stadion hilft, brenzlige Situationen schneller zu erkennen und Täter zeitnah, das heißt spätestens nach Spielende, zu stellen“, sagt Sprecher Felix Geilert.

Übeltäter schneller stellen – wie geht das?

Dazu soll ein Rechner die Bilder der ohnehin vorhandenen Stadionkameras unter anderem nach verdächtigen Verhaltensmustern oder Gesichtern mit aggressiven Minen durchforsten. Auf einem Monitor macht er dann kritische Szenen für die Polizisten sichtbar, die daraufhin entscheiden können, ob eine Aufzeichnung gestartet wird, und wann und wo sie eingreifen. „Der Mensch hat hier in jedem Fall das letzte Wort“, betont Geilert. Es würden auch keine biometrischen Daten erfasst wie etwa beim umstrittenen Pilotprojekt der Deutschen Bahn (DB) zur Gesichtserkennung an einem Berliner Bahnhof.

 

Verdächtiges Verhalten erkennen

Bisher müssen Polizeibeamten vor, während und nach einem Spiel kontinuierlich die Bilder von zig Stadionkameras gleichzeitig beobachten. Nur so können sie herauszufinden, wo sich zum Beispiel gerade eine Rauferei anbahnt oder gleich Bengalfackeln und Böller gezündet werden – und dann eingreifen. „Das ist eine Riesenanstrengung“, sagt Geilert. Es sei nur schwer möglich, die Aufmerksamkeit über so lange Zeit aufrechtzuhalten. Eine technische Hilfe sei deshalb sehr willkommen.

Mit ihrer Idee hat das Team schon den Gründungswettbewerb „Start2Grow 2017“ der Wirtschaftsförderung Dortmund gewonnen und gehörte zu den Preisträgern des Geschäftswettbewerbs „Idee2016“ der Allianz für die Region GmbH. Und im September könnte es den nächsten Preis geben, denn die Fünf sind in der Endrunde des Wettbewerbs „Digitale Innovationen 2017“, der vom Bundeswirtschaftsministerium ausgeschrieben wurde.

Andrea Hoferichter

Training für Formeln

Zurzeit feilen die Wissenschaftler aber noch an den Algorithmen, an den mathematischen Formeln, mit denen ein Rechner beispielsweise eine Tasche von einem Gesicht unterscheiden und später auch aggressive Mimik und ungewöhnliches Verhalten erkennen kann. Um die Algorithmen immer weiter zu verbessern, werden sie mithilfe von Datensätzen trainiert. „Und wir wollen sie robuster machen“, betont Geilerts Kollege Niklas Kiehne. „Wir müssen verhindern, dass der Computer aus den Ereignissen falsche Schlüsse zieht und zum Beispiel Zuschauer mit Sonnenbrillen oder Caps grundsätzlich als gefährlich einstuft.“

Um ihr Produkt zu optimieren, arbeiten die Jungunternehmer außerdem eng mit einem – noch geheimen – Stadionbetreiber der Bundesliga, mit der Polizei und mit Datenschützern zusammen. Die Resonanz sei sehr positiv gewesen, berichtet Robin Gast, der als Unternehmensberater die Vermarktung des neuen Produkts unterstützt. „Die wären natürlich froh, wenn Straftäter schnell gestellt werden können und nicht immer gleich alle Fans unter Generalverdacht stehen.“

 

Sicherheitstechnik im Scheckkartenformat

Wenn alles planmäßig läuft, wird die Technik Anfang 2018 zum ersten Mal bei einem Spiel getestet. Der Rechner, der zurzeit etwa das Format eines DIN-A5-Notizblocks hat, soll bis dahin auf Scheckkartengröße schrumpfen. Besteht er die Feuerprobe, könnte er in praktisch jedem Stadion der Welt zum Einsatz kommen. „Unser Produkt funktioniert unabhängig vom Kamerasystem vor Ort“, betont Geilert.

Nicht zuletzt wollen die jungen Unternehmer auch eine gesellschaftspolitische Diskussion anstoßen. Darüber, welchen Umgang mit Kameradaten wir zulassen wollen, um für mehr Sicherheit zu sorgen, und wo die Grenzen für den Eingriff ins Private liegen. „Heute kommt es noch zu vielen Fehlern“, sagt Geilert. London beispielsweise habe trotz starker Kameraüberwachung ein ernstes Sicherheitsproblem. Mehr Kameras seien hier nicht die geeignete Antwort. „Die Daten sind schon da, aber sie müssen dringend cleverer ausgewertet werden“, ist er überzeugt. „Dass dies zwingend Hand in Hand mit den Regeln des geltenden Datenschutzes erfolgen muss, steht natürlich außer Frage.“