Header image DLR

Von Braunschweiger Weltraummissionen und singenden Kometen

„Forscher aus Braunschweig schauen weit in das Universum, um die Entstehung der Erde sowie Wechselwirkungen im erdnahen Weltraum zu erklären und so Rückschlüsse zum Aufbau der Planeten zu ermöglichen“, erläutert Prof. Dr. Karl-Heinz Glaßmeier. Er leitet an der TU Braunschweig die Forschergruppe für Weltraumsensorik und Weltraumphysik und ist Lehrstuhlinhaber für das Fach Geophysik am Institut für Geophysik und extraterrestrische Physik (IGeP).

Die TU Braunschweig kooperiert eng mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Europäischen Weltraumagentur (ESA) sowie der NASA, um planetare Magnetfelder mittels kalibrierter Magnetometer zu vermessen. Dies ermöglicht es, im Rahmen einer „vergleichenden Geowissenschaft“ Erkenntnisse über die Oberflächen, plattentektonische Eigenschaften, Atmosphären sowie die Magnetosphären der Planeten und anderer planetarer Körper zu gewinnen.

Gegenwärtig sind Braunschweigs Geophysiker zusammen mit der ESA bzw. dem DLR der ESA mit der Japanischen Weltraumagentur (JAXA) an zwei internationalen Missionen beteiligt: BepiColombo und Hayabusa 2. Die beiden Raumsonden der BepiColombo-Mission (benannt nach dem italienischen Mathematiker und Astronomen Giuseppe Colombo), der europäische Planetenorbiter und der japanische Magnetosphärenorbiter, starteten am 20. Oktober 2018 zum Merkur und sollen den Aufbau des Planeten beschreiben sowie Hinweise zu seiner Entstehung geben. BepiColombo ist mit dem leistungsfähigsten elektrischen Antriebssystem ausgestattet, das je im All unterwegs war.

Kathrin Anne Kühn
Professor Karl Heinz Glaßmeier in seinem Büro an der TU

Kooperation mit Japan: Hayabusa 2

Die japanische Raumsonde Hayabusa 2 startete im Jahre 2014 und fliegt den Asteroiden Ryugu an. Zurzeit werden Materialproben von der Oberfläche des Asteroiden aufgenommen und sollen zur Erde zurückgebracht werden, wo sie in einem speziellen Labor der JAXA untersucht werden. Ziel der vom japanischen Wissenschaftler Prof. Makoto Yoshikawa geleiteten Mission ist es, mehr über die Entwicklung und den Ursprung unseres Sonnensystems zu erfahren. An Bord von Hayabusa 2 befand sich ein unter Leitung des DLR gemeinsam mit der französischen Raumfahrtagentur CNES und dem IGeP entwickeltes Landegerät, der Mobile Asteroid Surface Scout (MASCOT). Für die Entwicklung der stabilen Struktur von MASCOT war das DLR-Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik in Braunschweig zuständig.

MASCOT wurde am 3. Oktober 2018 erfolgreich auf Ryugu abgesetzt. Das Magnetometer des IGeP machte dort umfangreiche Messungen, die aufzeigen, dass der Asteroid kein globales Magnetfeld besitzt.

Während des Gesprächs nahm mich Professor Glaßmeier mit auf eine Reise zu seinen und den deutsch-japanischen Anfängen in der extraterrestrischen Geophysik. Diese haben ihren Ursprung in Göttingen, wo Prof. Julius Bartels, einer der Initiatoren des Internationalen Geophysikalischen Jahres 1957/1958, als Professor tätig war. Zwei seiner Schüler waren Prof. Walter Kertz, Vorgänger von Prof. Glaßmeier an der TU Braunschweig, und Prof. Jürgen Untiedt, Doktorvater von Prof. Glaßmeier. Diese lange Tradition der Zusammenarbeit ist auch die Grundlage für das wechselseitige Vertrauen in die Expertise des jeweils anderen. Die derzeitige Zusammenarbeit mit Japan lobt Glaßmeier in höchsten Tönen.

MASCOT/DLR/JAXA
Die Oberfläche von Asteroid Ryugu Mission Hayabusa2

Der singende Komet aus Wolfenbüttel

Dann demonstriert er, wie elektromagnetische Felder in der Umgebung von Kometen Himmelskörper zum Singen bringen, denn im Sonnenwind bewegte Teilchen können hörbar gemacht werden. Der Wolfenbütteler Sounddesigner Manuel Senfft hat das musikalisch umgesetzt: Auf Soundcloud kann man den „Singenden Kometen“ herunterladen.

Doch zurück zum Merkur. Der sonnennächste und erdähnliche Planet stellt Weltraumforscher und ihre Missionen vor neue Herausforderungen. Um dessen mineralogische und geologische Beschaffenheit aufklären zu können, sind unter anderem Magnetometer ein geeignetes Instrument. Doch müssen diese Magnetometer vor der Reise ins All kalibriert werden. Dies geschieht hier in Braunschweig im Labor Magnetsrode auf dem Gelände der ehemaligen Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft, wo heute auch das Thünen-Institut zu finden ist. Die Kalibrierung der Messinstrumente, insbesondere die Temperaturkalibrierung, also die Erprobung der Braunschweiger Magnetometer für die zwischen 140 und 500 Grad Kelvin schwankenden Temperaturen im Weltraum, stellt eine große Herausforderung dar. Beim Bau der exakt messenden Instrumente sind viel Erfahrung und außerdem handwerkliches Können gefragt, das in den vergangenen 50 Jahren in internationaler Zusammenarbeit von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am IGeP erarbeitet wurde.

Beim Anblick seines Dienstzimmers mit Urkunden der NASA, Auszeichnungen aus aller Welt, Magnetometer-Miniaturen und vielfältigen Weltraumimpressionen wird im Gespräch mit Karl-Heinz Glaßmeier eines klar: In der Weltraumforschung kommt man an Braunschweig nicht vorbei.