Wird da Pyrotechnik versteckt von den Rostockern FRAGEZEICHEN

Stadionfunk
Die Eintracht Braunschweig-Kolumne: Du und ich, ich und du …

Am Sonntag war Hansa Rostock zu Gast im Eintracht-Stadion. Ein Spiel, zwei Perspektiven. Unsere Regionäre Malte Schumacher und Kay Rohn berichten.

Malte Schumacher:

 

Rückblick auf ein Seuchen-Jahr

Beim Spieltagsfrühstück reflektiere ich das vergangene Seuchen-Jahr 2018: 39 Eintracht-Spiele in den Ligen Zwei und Drei sowie im Pokal, habe ich mehr oder weniger nah miterlebt – 19 davon wurden verloren, das ist fast die Hälfte (10 waren es in 2017 …). Ein Jahr zum Vergessen also, inklusive des dusseligen Abstiegs und des komplett vergeigten Neuanfangs danach. Bereits im Dezember aber hat meine Eintracht an der Versöhnung gearbeitet, mit vier unerwarteten Punkten in den letzten beiden Spielen (auswärts!) – und mit Wintertransfers, die mir Mut gemacht haben.

 

Wieder alles neu

Acht, mit Pfitze neun Neuzugänge, bedeuten den zweiten Neuanfang innerhalb von sechs Monaten – was klingt wie eine Achtzigerjahre-Autohaus-Werbung: „Nur bei uns: Immer alles neu, neu, neu“, ist momentan Eintracht-Realität. Fejzic, Kessel, Düker, Bär, auch Pfitzner – die größte Rückruf-Aktion in unserer Region seit dem Dieselgate bei Volkswagen. Dazu mit Feigenspan, Rütten, Menz und Nehrig wenigstens die beiden letztgenannten mit Leistungsdaten, die Hoffnungen und Erwartungen bei mir wecken. Aber wie wird Meister Proper das Team heute ausrichten gegen die Hansa-Kogge? Im eher defensiven 3-4-1-2 wie in den Punktspielen zum Jahresende? Oder im offensiveren 4-3-3, wie in den Testspielen? Puh, ich bin jetzt schon ganz schön nervös – und es ich noch nicht mal 11.00 Uhr.

 

Rechenspiele

Das wird in der Strapazenbahn auch nicht besser, denn um mich herum werden natürlich ausführlich „Was wäre wenn“-Geschichten diskutiert. Neben mir rechnet ein Fan mit „Anti Hannoi“-Mütze vor, dass wir heute mit einem Heimsieg eine Serie starten werden, um dann am Ende noch Vierter zu werden. Ich grinse ihn an, er grinst zurück – das ist gelebte Eintracht-Ironie, klar. Einig sind wir uns alle darin, dass heute gewonnen werden muss. Auch eing sind wir uns alle darin, dass aus den ersten vier Spielen in 2019 mindestens neun Punkte geholt werden sollten. All das, um frühzeitig wieder an den anderen in Liga 3 dran zu sein. Von denen hat gestern kein Einziger gewonnen – Steilvorlage für uns. Der Vorletzte Aalen spielt erst am Montagabend, wenn wir heute also gewinnen, sind wir mit denen schonmal punktgleich …

 

Motivationsmaßnahmen I

Zwei „Hardcore-Eintracht-Fans“, Christoph Köchy und Per Schmale, haben vor einer Woche via Social Media eine Motivationskampagne gestartet, Titel: „DU & ICH“;
Motiv eine herzige Logo-Postkarte. Christoph schrieb dazu bei Facebook: „Jeder von uns hat eine andere Verbindung zu Eintracht. Aber Eintracht verbindet uns alle. Also Sonntag ins Stadion!“ – und „Bussi“ Skolik fragte bewegt: „Das ist wirklich schön. Darf ich das teilen?“ – klar, darum geht’s. Auch die Eintracht selbst war aktiv und hat einen Motivationsfilm gelauncht, in dem „Bussi“ sozusagen den Anwurf macht und den „Eintracht-Motivationsball“ weitergibt an Dennis Kruppke … Auch dieses Ding ging viral. Das alles soll dafür sorgen, dass die Menschen wieder Lust haben auf die Eintracht, und das Stadion heute vielleicht richtig schön voll wird …

Volle Hütte

Unten vor Block 6 ist schon deutlich mehr los als bei den letzten Heimspielen in 2018. Auch da die Rostocker wohl ihr gesamtes Gästekarten-Kontingent abgerufen haben, rechnen wir mit über 21.000 Zuschauern – das wäre gut und wichtig. Jedenfalls, wenn die Eintracht dann auch gewinnt. Auch hier im Fanclub-Gespräch wird deutlich, dass die Stimmung bei uns allen etwas diffus-nervös ist. Das Seuchen-Jahr 2018 ist noch sehr präsent, die vielen Niederlagen sitzen noch immer tief bei uns. Und jeder weiß: Wenn’s heute nicht für einen Sieg reicht, ist die Stimmung gleich wieder komplett im Eimer.

 

Motivationsmaßnahmen II

Auch unser Fanclub war in Sachen Motivation und Sichtbarkeit aktiv – beim „Fußball-Spezialisten“ in der Karrenführerstraße gab’s via Facebook ein Angebot, PVC-Aufkleber produzieren zu lassen. Ja, ja – kann man bestimmt auch in irgendeiner Internetbude bekommen – ich mag aber den regionalen Einzelhandel und habe für den Fanclub schon gute Deals mit dem „Fußball-Spezialisten“ gemacht. Also habe ich rund 100 Fanclub-Aufkleber in der Tasche, wir wollen heute unseren Bereich im Block 6 markieren … Die ersten platziere ich weit vor 13.00 Uhr im noch sehr leeren Block – sieht gut aus.

 

DU & ICH

Derweil inspiziert Mex die an die Besucher verteilte „DU & ICH“-Postkarte von Christoph und Per – kann man machen, so sein Kommentar. Wir sind uns einig: In jedem Fall um Längen besser als die unsägliche „11 Siege für die 2. Liga“- Kampagne des Vereins aus der Saison 2006/07, als wir mit Trainer Willi Reimann und Sportdirektor Manfred Aschenbrenner in eine totale Katastrophen-Rückrunde gestartet sind. Gut zu wissen, dass hinter uns oft noch viel größerer Unsinn liegt, als da wohl in 2019 kommen wird. Wobei ich ja angesichts des Kampagnen-Mottos an irgendeinen Schlager denken musste: „Ich und Du – immerzu, SOS ich liebe Dich“ oder so. Wie kommt nur so ein Müll in meinen Kopf …?!

 

Brasiwa

Mit Pfitze sind es fünf Neue in der ersten Elf, die KickerApp zeigt die Formation als 4-3-3 an, mit Pfitze, Nehrig und Fürstner als 6er und 8er. Jasmin wieder im Tor – Gott sei dank, da entsteht Sicherheit. Vorne Bär, der mit 7 Buden für Aalen eins mehr geschossen hat als unser bester Stürmer, Philipp Hofmann. Mex zeigt in die prallvolle Gästekurve und sagt: „Unter deren Riesen-Banner ist viel Platz für Pyrotechnik“ – oh ja, von denen ist was zu erwarten. Micha ist heute nicht bei uns im Block 6, sondern oben über Block 14 in der Gegengerade, er hat heute „Brasiwa“ –Brandsicherheitswachdienst der Feuerwehr. Wunderbar, ich fühle mich sicher. Vielleicht hält er dann bei Pyro-Alarm in der Nordkurve sein C-Rohr da rein …

Malte Schumacher

Fußball

Kurz vor dem Anpfiff prophezeit Matze: Kessel macht in der dritten Minute ein Tor. Von Beginn an spielen die elf Blau-Gelben tatsächlich Fußball – oh wie sehr habe ich mir allein nur das gewünscht! Marcel Bär hat nach zwei Minuten drüben in der Nordkurve eine Chance, die richtig gut aussieht, der Rostocker Torwart hat wohl eine Hand dazwischen. Passsicherheit ist da, Konsequenz und Einsatz werden gezeigt, die Fehlerquote ist relativ gering. Nehrig hält den Laden wunderbar zusammen im Mittelfeld und zieht nach fünf Minuten einfach mal aus 20 Metern ab – knapp vorbei. Lange nicht gesehen, solche Aktionen. In der ersten Viertelstunde ist offensiv nichts zu sehen von Rostock, klasse. Dementsprechend ist die Stimmung auf den Rängen: singen, hüpfen, Alarm machen. Erst zum Ende der ersten Halbzeit wird’s mal brenzlig vor Fejzic, es passiert aber nichts. Leider lassen auch wir noch Chancen aus – die Nervosität bei mir und auch mein ungutes Gefühl sind noch lange nicht verschwunden, trotz der guten Leistung.

 

Kampf, Einsatz, Kessel

Pause, Bier holen, durtchatmen. Fällt uns die schlechte Chancenverwertung wieder auf die Füße? Einige Mannschaften haben sich in den letzten Monaten hier hingestellt, Eintracht einige Zeit das Spiel überlassen, um dann gnadenlos Tore zu schießen und den Sieg mit nach Hause zu nehmen. Oh je, das werden nochmal nägelkauende fünfundvierzig Minuten … Und die gehen gleich heftig los: Beide Mannschaften hauen sich jetzt mächtig rein, und als Bär auf rechts außen durch will, trifft er den Rostocker Kapitän wohl mit dem Knie am Kopf. Stellt dieser sich nur an? Nein, er scheint zu bluten. Mit Blut am Trikot oder im Gesicht darf er nicht wieder rein. Putaro führt derweil eine Ecke aus, Kessel steigt ganz hoch und köpft das Ding rein – Extase, Bierbecher fliegen, erste Erleichterung. Tor! Wir führen! Abklatschen mit Matze – stimmt annähernd, seine Prophezeiung …

 

Pfitze geht voran

So ganz traut dem Braten aber noch keiner und Angie erzählt, dass ihre Mutter Kessel und Pfitze als heutige Torschützen prognostiziert hat. Sehr gerne, bei einemzweiten Tor würde auch ich endlich fest an einen Sieg glauben. Auf dem Rasen geht’s jetzt ganz schön zur Sache, vorneweg dabei – nie unfair, aber immer giftig – Marc Pfitzner. Er stresst sich sehr mit dem Rostocker 6er, Mirnes Pepic, der mit seiner unterirdischen Frisur rüberkommt, wie eine Mischung aus Harpo von den Marx-Brothers und Buzz Osborne von den Melvins. Dann versucht er auch noch, Pfitze eine Kopfnuss zu geben – der Schiri sieht nichts … Pass auf Bursche, Pfitze merkt sich sowas. Mitte der zweiten Halbzeit muss Fejzic einmal sehr stark halten auf der Linie – davor sah Kessel ein wenig alt aus in seiner Gegner-Verteidigung.

 

Wer? Feigenspan!

Kurz vor Schluss hat Rostock noch ein dickes Ding – Volker dreht sich zu uns um und zischt die Luft durch die Zähne, das war knapp. Sollte es heute mit seinem Evergreen klappen? „Drei Punkte, egal wie!“, pflegt er in schwierigen Eintracht-Phasen auf meine Frage nach einem Ergebnistipp zu antworten. Und meistens meint das ja 1:0 … Nee, denkste: Im direkten Gegenzug spielt Hofmann einen Sahne-Pass auf rechts außen zu Bär, der sieht im Strafraum den Herrn Feigenspan (wen?) und serviert ihm das Ding halb hoch auf den Kopf – 2:0. Der junge Herr Feigenspan, gerade einmal 12 Minuten im Spiel, 23 Jahre alt, gekommen von Gladbachs zweiter Mannschaft, macht in der 88. Minute das Tor und sprintet sofort zum Zaun vor Block 7 zum Jubeln.

Malte Schumacher

So kann’s weiter gehen

Schlusspfiff, Sieg! Klar, immer noch Letzter – aber punktgleich mit Aalen, da ist wieder Licht im Tunnel! Wir atmen irgendwie alle erleichtert durch. Insbesondere, da die gesamte Performance heute nach langer, langer Durststrecke mal wieder nach Fußball aussah. Die Neuverpflichtungen haben die Qualität deutlich gehoben, sie haben aber auch Spieler wie Fürstner und Nkansah augenscheinlich sicherer und stärker gemacht. Die Mannschaft bleibt auch nach dem Schlusspfiff fokussiert, es gibt keine La-Ola Performance vor Block 9 – sie wissen selbst, dass der Weg bis zum erleichterten Feiern noch sehr lang ist. Sie bedanken sich aber bei der ganzen Südkurve für die Unterstützung, sie applaudieren dabei den Fans, die in der Tat heute alles gegeben haben und mit ihrer erneut erneuerten Mannschaft wieder zusammengerückt sind. Und so muss es nun weitergehen, am besten schon am nächsten Montag in Zwickau …

Kay-Uwe Rohn:

 

Welcome-Back-Match

Die Zuschauer

Alle wollen die neue Mannschaft sehen, alle sind gespannt und warten auf den Einlauf. Wer ist in der Startelf? Alle erwarten ein richtungsweisendes Spiel. Und wer sitzt da noch alles auf der Bank. Unglaublich, da sitzt ein Feigenspan, von dem ich noch nie gehört habe. Da sitzt ein Menz und die können alle den Ball annehmen und einigermaßen unfallfrei einen Pass spielen. Und die Moral stimmt in jedem Moment. Die Zuschauer reiben sich die Augen. Dieser Kader hat einfach Hand und Fuß und Kopf. Sehr oft während des Spiels stehen die Tribünenbesucher auf, da sie ja Löwen sind. Gefühlt öfter als sonst. Aber dafür gerne …

Eine Fußballmannschaft läuft ins Stadion ein Kay-Uwe Rohn

Die „Alten“

Endlich heißt es zu Recht wieder „Braunschweiger Jungs“. Pfitze spielt sein bestes Spiel im Braunschweiger Trikot. Er ist überall vor dem eigenen Strafraum, gewinnt fast jeden Zweikampf, leitet mit sehr viel Auge das Umschaltspiel ein. Und das alles mit einem hohen Grad an Technik. Aber es gibt ja noch mehr. Benni Kessel ist wieder im Stadion. Er bearbeitet seine rechte Seite und köpft auch gleich noch das so wichtige Welcome-Back-Tor zum 1:0. Das ist Gänsehaut pur! Und der 1,98 Meter große Hüne Jasmin Fejzic steht wieder zwischen den Aluminiumstangen, jetzt schon zum dritten Mal. Auf der Linie hält er wie ein Weltmeister und rettet uns; im Strafraum könnte er mit seiner Größe souveräner auftreten. Welcome back Braunschweiger Jungs!

 

Die „Neuen“

In der Winterpause kamen weitaus mehr Spieler als ich erwartet hatte. Ich hatte mit drei bis vier Spielern für Abwehr, Mittelfeld und Angriff gerechnet. Die jetzt viel größere Auswahl an Spielern, die Qualität mitbringen, ist schon erstaunlich. Bernd Nehrig ist so einer. Er läuft immer in die richtigen Positionen und behält auch mit zwei oder drei Gegenspielern um sich herum die Übersicht. Er spielt den Pass in den freien Raum und erreicht dabei auch den Mitspieler. Das waren wir ja schon lange nicht mehr gewohnt. Alle bringen Schnelligkeit mit – einfach schön anzusehen. Als wenn sie schon seit Jahren in diesem Team zusammenspielen würden. Es werden Pässe in den Fuß gespielt, die Köpfe sind hoch und man spürt einfach Selbstvertrauen. Sie wollen und werden sich da unten aus dem Keller herausarbeiten. Das nehme ich dieser Mannschaft ab.

 

Die Bank

Da sitzen sie: Marcel Engelhardt, Felix Burmeister, Onur Bulut, Yari Otto, Julius Düker, Christoph Menz und Mike Feigenspan. Da sitzen Qualitäten, da sitzt Erfahrung, da sitzt Schnelligkeit. Und drei kommen rein und legen gleich los, als hätten sie Anfang an gespielt. Das gesamte Mannschaftsgefüge passt zusammen. Und da sitzt Bussi, die Seele der Braunschweiger Jungs!

 

Ein Team zusammenstellen

Andre Schubert hatte in der Winterpause die Möglichkeit, den Kader nach seinen Überlegungen zusammenzustellen. Die hat er genutzt. Vielleicht gab es noch ein paar Hinweise durch unser Scouting und von Christian Flüthmann; seit einiger Zeit Co-Trainer bei Andre Schubert. Aber einen Sportlichen Leiter haben sie im Moment nicht. Meines Erachtens sehr wichtig, dass diese Position bald wieder besetzt wird sonst machen wir uns erneut in allen Bereichen von einer Person abhängig.

 

Das Spiel

Von Anfang an werden Chancen erspielt. Ein Tor lag schon in den ersten fünfzehn Minuten in der Luft. Immer wieder war der Ball in der Box der Rostocker. Ecke um Ecke wurde herausgespielt und erkämpft. Teilweise konnten die Verteidiger unsere Spieler nur durch Fouls stoppen und die folgenden Freistöße waren immer gefährlich. Folgerichtig war es eine Standardsituation, ein Eckball, der zur Führung führte. Selbst die wenigen, aber sehr guten Möglichkeiten der Rostocker konnten der Eintracht nicht wirklich gefährlich werden. Zu häufig fanden wir zu unseren Möglichkeiten. Mike Feigenspan setzte nach sehenswertem Zusammenspiel mit seinem Kopfball zum 2:0 einen wunderschönen Schlusspunkt.

Es macht endlich wieder Spaß

Es macht einfach wieder Spaß. Nach dem Abpfiff haben alle Spieler ein Lächeln im Gesicht. Die Zuschauer erleben seit langer Zeit mal wieder sehr, sehr viele positive Momente. So soll es weitergehen, zuhause und auswärts. Die Eintracht ist wieder da und jeder Gegner wird es schwer haben, gegen uns zu gewinnen.

Mir ist aufgefallen: Welcome-Back-Spaß