Eingang Sascha Pesenecker

Vorhang auf für die Kammerlichtspiele Königslutter!

Wenn ich an Kino denke, habe ich gleich eine Vielzahl an Assoziationen im Kopf. Ein dunkler Saal, der in rot-goldenes Licht getaucht ist. Weiche Sitze, in die ich mich fallen lassen kann. Der Geruch und das Rascheln von Popcorn, aufgeregtes Getuschel über den anstehenden Film. Und dann dieser einzigartige Moment, in dem das Licht immer dunkler und dunkler wird, der Vorhang aufschwingt und schlagartig alle Geräusche im Raum verstummen. Film ab!

Ein Kino, eine Familie

Genau diese besondere Kinoatmosphäre schlägt mir in den Kammerlichtspielen Königslutter entgegen. Es ist kein großes Kino und hat nur einen Saal mit gut 130 Sitzen. Der Vater verkauft die Tickets und der Sohn Getränke und Naschereien. So oder so ähnlich läuft das schon eine ganze Weile, seit 1921 um genau zu sein. Ich spreche mit dem Sohn, Sascha Pesenecker, dessen Urgroßvater vor knapp 100 Jahren das Kino gegründet hat. 1921 – das war kurz bevor Nosferatu über die Kinoleinwand schlich, die Hochzeit des Stummfilms und – natürlich – alles in schwarz-weiß. Filme waren damals verglichen mit heute eine Modeerscheinung.
Wie das so ist mit Modeerscheinungen, gehen erst einmal viele Menschen davon aus, dass sie genauso schnell wieder verschwinden, wie sie gekommen sind. Ein Glück, dass dem Film dieses Schicksal erspart geblieben ist!

 

Hier ist für alle was dabei

Blicke ich mich im Eingangsbereich um, schaut mir von der einen Seite eine selbstbewusste Colette in die Augen. Auf der anderen Seite singt Freddie Mercury auf dem Live Aid und hinten in der Ecke radelt eine fröhliche Astrid Lindgren durch Schweden. Die großen Blockbuster, Kinderfilme und solche, die noch ein bisschen mehr zum Nachdenken anregen: sie alle werden hier gezeigt und ziehen ein vielfältiges Publikum an. Zusätzlich kann der Saal auch für eigene Veranstaltungen gemietet werden. Auch alte Klassiker gibt es manches Mal auf der Leinwand zu sehen.

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Da steckt Liebe drin

Kennst du diese eine Kinowerbung, die neuerdings vor Filmen gezeigt wird? Eine Reihe deutscher Promis antwortet auf die Frage, was Kino für sie bedeutet (das alles – natürlich – in schwarz-weiß). Fast interessanter als ihre Antworten, sind aber doch die Antworten derer, die die Kinos betreiben, sie zu ihrem Lebensinhalt erklären und täglich ihre Energie in sie investieren. Stelle dir nun also Herrn Pesenecker vor, wie er auf einem Barhocker sitzt (natürlich in schwarz-weiß), kurz nachdenkt und dann sagt: „Kino ist … immer wieder für Überraschungen gut! Es ist Risiko, es ist Freude oder Frust – man weiß nie, was man bekommt.“

Seine Motivation für diesen Job lebt nicht nur von seiner Begeisterung für Filme. Es ist die Tatsache, dass er täglich ganz direkt eine Veränderung bewirken kann. Er hat die Möglichkeit, das Geschäft zu gestalten, sorgfältig Filme auszuwählen und er gibt den Menschen so etwas mit auf den Weg.

 

Weʼre all in this together!

Nun stellt sich dir vielleicht die Frage, warum nicht einfach zu Hause auf der Couch liegen bleiben mit Netflix und dem eigenen Fernseher? Niemand wirft dich mit Popcorn ab und du kannst aufs stille Örtchen gehen, wann immer du möchtest und ohne dass der Film weiterläuft. Klingt verlockend, aber ist doch nicht ganz dasselbe. Denn das ist das Besondere am Kino: es geht um das gemeinsame Erleben, sei es mit Freund*innen oder auch mit all den unbekannten Menschen im Saal. Mach es wie Amélie, drehe dich während eines Kinofilms einfach mal um und schaue in die Gesichter anderer Leute. Hier kannst du nicht mal eben rausgehen, noch eine Pizza in den Ofen schieben und zwischendurch drei Mails schreiben. Du lässt dich völlig auf den Film ein, außerhalb deiner eigenen vier Wände und das ist auch gut so. Denn stelle dir nun Folgendes vor: Du sitzt in den Kammerlichtspielen Königslutter, gerade läuft der Abspann eines Films, der dich zum Lachen gebracht hat oder zum Weinen oder vielleicht auch beides. Die Lichter gehen langsam wieder an und du erhebst dich, gehst an all den Filmplakaten im Flur vorbei, nickst noch einmal den Herren Pesenecker zu und nutzt den Heimweg, um in aller Ruhe über den Film zu philosophieren.

Ende.