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Technologie aus Wendhausen: Bildschirmfoto zeigt Google Maps. Torben Dietrich

Wusstest Du das?
Technologien aus der Region Braunschweig-Wolfsburg

Fast jedem begegnet sie im Alltag: Technologie aus der Region Braunschweig-Wolfsburg. Sei es in der Google-Navigation, im Zug oder auf dem Fernsehbildschirm zuhause. Erfahre hier, welche Ideen aus der Region in den letzten Jahren die Welt erobert haben und welcher Unternehmer überzeugt ist, dass Braunschweig und Umgebung wirklich das Silicon Valley Europas sind.  

 

Rettet Unterricht, vernetzt Schulen: IServ

Während Zukunftsforscher noch davon ausgingen, dass das Internet sowieso kein Massenmedium wird, bastelten zwei, drei technikbegeisterte Schüler an der Hoffmann-von-Fallersleben-Schule in Braunschweig um die Jahrtausendwende an einem interessanten IT-Projekt. Ihre Idee: Ein Schulserver, der ein Netzwerk und Portal zur internen Kommunikation und Schulorganisation ermöglicht. Sein Name: IServ  

Gut zwanzig Jahre später brach eine weltweite Pandemie aus und diese Technologie, diese Idee aus Braunschweig rettete den Unterricht von zigtausenden Schülern in Deutschland. Dateien wurden ausgetauscht, Hausaufgaben in Modulen abgerufen und hochgeladen, Unterrichtsstunden teilweise per Videokonferenz abgehalten.

Ein Mann zeigt auf ein Bild hinter ihm. Torben Dietrich
Jörg Ludwig ist Braunschweiger. Den Gedanken, IServ irgendwo anders groß werden zu lassen, hat er nie verfolgt.

„Ich hätte nie gedacht, dass so etwas möglich ist“, sagt IServ-Mitgründer und Geschäftsführer Jörg Ludwig im Hinblick auf die strengen Lockdowns. Als die ersten Schulen schlossen, reagierte man bei IServ besonnen, baute ein Videokonferenzsystem und ließ die Schulen seine Software für ein halbes Jahr kostenfrei nutzen. Auf den größten Anbieter von Schulnetzwerken kam so eine Nachfrageflut zu, die zunächst kaum bewältigt werden konnte.

„Ich hätte nie gedacht, dass so etwas möglich ist.“

Jörg Ludwig

Die Möglichkeiten und die Verlässlichkeitder Technologie von IServ machten schnell die Runde. Heute betreut Ludwigs Unternehmen über 5500 Schulen in Deutschland. „Das sind 20 Prozent Marktanteil“ rechnet er vor. Damit ist IServ der Marktführer im Bereich der Schulplattformen. 

Nie übrigens hat Ludwig ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, anderswo als in Braunschweig sein Unternehmen zu gründen. „Ich bin hier zur Schule gegangen, habe hier studiert und meine Freunde, mein Netzwerk aufgebaut. „Außerdem bilden die TU und die Fachhochschulen hier sehr gute Fachkräfte aus.“ 

Die schnellste Route bei Google Maps - dank Technologie aus Wendhausen

Wenn wir heute dank Google Maps die schnellste Route finden und Staus umfahren können, sollten wir in Gedanken einen Gruß nach Wendhausen, Landkreis Helmstedt, schicken. Wenn wir im Auto, Zug oder Flugzeug sitzen und die Maschinen dank Sensoren mit uns oder der Außenwelt kommunizieren, könnten wir das Gleiche tun.   

Denn dort, im Wasserschloss Wendhausen (und nicht in Kalifornien) sitzt ein Unternehmen, dass genau die entsprechenden Schnittstellen und Verfahren entwickelt hat, die als Keimzelle für all diese Anwendungen dienen. Genau das betont auch Uwe Lambrecht, Geschäftsführer des Unternehmens ITUC: „Wir brauchen uns vor den Amerikanern überhaupt nicht zu verstecken“, betont er. Der große, langhaarige Mann wirkt auch ganz anders als die smarten jungen Frauen und Männer von der Uni. Vermutlich trinkt er im Zweifel lieber ein Glas Bier als ein Haferdrink-Coffee.

„Wir sind hier das Silicon Valley Europas.“

Dr.-Ing. Uwe Lambrecht

Das rund 140 Mann starke Unternehmen – und letztjährige Preisträger des Unternehmerpreis38 – hat sich auf IT-Ingenieurdienstleistungen und entsprechende Technologien spezialisiert, hat treue Mitarbeiter, ein intensives Netzwerk in der Region aufgebaut und würde auch ohne Geld etwa für UNICEF arbeiten. In vielerlei Hinsicht also etwas unkonventionell. Aber unter anderem gerade deshalb höchst erfolgreich.

Sicherheit am Zug

Wenn wir in den Zug steigen, machen wir uns vielleicht Gedanken um einen guten Sitzplatz, aber nicht um die Feinheiten der täglichen technischen Instandhaltung. Da Lokomotiven aber nicht immer die gleiche Werkstatt anfahren, sondern an verschiedenen Orten gewartet werden, ist die Organisation dieses Prozesses ziemlich komplex.

Die Firma Sternico aus dem beschaulichen Wendeburg im Landkreis Peine sorgt dafür, dass diese wichtigen Prozesse zuverlässig funktionieren. Mit „Railbase“ bietet Sternico eine Softwareplattform für den Austausch von Instandhaltungsdaten über Ländergrenzen hinweg. Betreut vom Eisenbahnbundesamt und gefördert von der EU, entwickeln alle großen Player Europas zusammen mit der Wendeburger Firma diesen Standard. „Endziel“ ist sozusagen, den Betrieb und die Instandhaltung des Zugverkehrs zu digitalisieren. „Da wird einiges an Wachstum vor uns liegen“, prognostiziert CEO Sico Algermissen.

Eine Handvoll Lokomotiven im Sonnenschein. Bruno/ Pixabay
Sternico erleichtert mit einer Softwareplattform die Instandhaltung von Lokomotiven quer durch Europa.

Sichert das Erdbeer-Erlebnis für die Zukunft: Ein Ernteroboter aus Gifhorn

Eine Schale saftige Erdbeeren gehört mit zum Schönsten, was man jetzt im Sommer genießen kann. Wir freuen uns, wenn die leckeren Früchtchen auf dem Markt oder im Supermarkt zu bekommen sind. Welche Arbeit allerdings dahinter steckt – auch, wenn sie noch so simpel erscheint – ist uns oft nicht klar.   

Kleine Kinder pflücken wie selbstverständlich Erdbeeren von einem Strauch, „aber das ist ein höchst komplexer Vorgang“, erklärt Wolfgang Wukisiewitsch, Bereichsleiter Products & Solutions bei der IAV Ingenieursgesellschaft.

Roboter- Technologie: Ein Roboter-Greifarm pflückt eine Erdbeere. Christian Bierwagen
Der Ernteroboter von IAV soll ab nächstem Frühjahr bei der Erdbeerernte mit anpacken.

Die Ingenieurspezialisten aus Gifhorn hingegen sind seit zwei Jahre am Tüfteln und kontinuierlich in Probeeinsätzen mit dem automatisierten Erntehelfer. Der Computer des Erdbeer-Ernteroboters musste zudem mit einigen tausend Erdbeer-Bildern gefüttert werden. Verschiedene Sorten und Größen, unterschiedlicher Reifegrad, Schädlingsbefall und so weiter.

„Jede Sorte muss neu trainiert werden“, so Wukisiewitsch. Außerdem führten die Ingenieure viele Gespräche mit Pflückern und Personal von „Karls Erdbeerhof“, dem Projektpartner. „Alle Vorgänge, die geübte Pflücker intuitiv tun, muss der Roboter durch seine neuronalen Netze lernen“, sagt Wukisiewitsch.      

„Jede Sorte muss von dem Roboter neu trainiert werden.“

Wolfgang Wukisiewitsch, Bereichsleiter Products & Solutions, IAV

Statt Händen verfügt der Roboter über eine kombinierte Einheit zum Greifen undAbtrennen der Beere von ihrem Stiel. Die Vorrichtung, die ein wenig an einen Schnabel erinnert, ist für 20 Millionen Schnitte (4 Mio. Schnitte pro Saison bei fünf Saisons) ausgerichtet und kann täglich 20 Stunden eingesetzt werden.

„Das Ziel ist aber nicht, den Menschen wegzurationalisieren, sondern eine Symbiose zu schaffen“, so Wukisiewitsch. Angesichts von Fachkräftemangel auch auf diesem Gebiet soll die Maschine und die Technologie aber ein Schritt sein, um Niedersachsen und Deutschland auch weiterhin attraktiv für landwirtschaftliche Produktion zu halten. Im Frühjahr 2024 soll der Roboter dann zum ersten Mal produktiv in der Ernte eingesetzt werden.   

Scharfes Bild aus Braunschweig: Die OLED-Technologie

Den neuen Blockbuster in voller Schärfe, größtmöglicher Farbintensität und hohem Kontrast erleben – das ermöglichen die so genannten „Organic Light-Emitting Diodes“. Im Allgemeinen Sprachgebrauch einfach OLED, das dürfte den meisten von uns ein Begriff sein. Ob im Flachbildfernseher, in Smartphones oder der Medizintechnik: Die in hauchdünnen Schichten gebundenen organischen halbleitenden Materialien findet man in zahlreichen alltäglichen Anwendungen.  

Mehrere Forscher in einem Labor forschen an OLED- Technologie. TU Braunschweig
Oled-Fertigung im Elektro-Optik-Labor des Instituts für Hochfrequenztechnik im Jahr 2005. (von rechts): Lars Schräder, Henning Krautwald und Diane Lack.

Dass diese Technologie maßgeblich an der TU Braunschweig am Institut für Hochfrequenztechnik mitentwickelt wurde, könnt ihr gerne beim nächsten gemeinsamen Filmabend einmal erwähnen. Das weiß nämlich kaum jemand. Tatsächlich wurde in Braunschweig Grundlagenforschung zu OLED betrieben und an den Voraussetzungen für den Einsatz der OLED-Technologie in marktfähigen Produkten.   

ES-Tec aus Wolfsburg: Ein A bis Z der Fahrzeugelektronik

Wer möchte heute schon auf seine Klimaanlage im Auto verzichten oder die Fenster mit der Hand herunterkurbeln? Dies und vieles mehr, von der Ambiente-Beleuchtung bis zur Zentralverriegelung, wird bei der Firma ES-Tec aus Wolfsburg auf höchsten Niveau entwickelt, geprüft oder zusammen mit Partnern bei der Fertigung begleitet.

Auf diesem Feld der so genannten Komfortelektronik hat sich das Unternehmen von Gründer und CEO Marc Wille besonders hervorgetan. An insgesamt 5 Standorten weltweit arbeiten rund 350 Mitarbeiter aber ebenso erfolgreich an den Grundlagen für autonomes Fahren und an Fahrerassistenzsystemen. Steuergeräte, Sensoren und Schalter gehören also zur Leidenschaft des momentan schnell wachsenden Teams.

Die Ambitionen der Unternehmensgruppe reichen aber noch weiter: „Mit unserer Unternehmenstochter CUBOS bieten wir ein schlüsselfertiges Komplettpaket aus Photovoltaik und Ladeinfrastruktur für Firmen an, die das Laden von E-Autos am Arbeitsplatz ermöglicht“, sagt Marc Wille. So wird das Pendeln einfacher und deutlich attraktiver. Außerdem forscht das Unternehmen an den Technologien der Hochvoltklimatisierung und dem bidirektionalen Laden. Zwei Themen, die mit jedem Tag mehr an Gewicht gewinnen und, das ist abzusehen, unsere Alltagserfahrung mit dem Auto bestimmen werden.