Oft sehe ich rund um den Heeseberg Landmaschinen im Miniformat, die zu den kleinen Versuchsfeldern der Saatgut-Firma Strube unterwegs sind. Seit Neuestem soll auch ein autonomer Feldroboter mit künstlicher Intelligenz unter ihnen sein. Eine Super-Nanny für die kleine Rübe! Ich möchte mehr darüber erfahren. Maja Schwach und Joseph Wachtel gewähren mir einen kleinen Einblick in die Saatzucht.
Ein Roboter als Super-Nanny für Rüben
Stand: 29.6.2023
Zuckerrüben und Weizen sind der "Renner"
In meiner Region befindet sich besonders fruchtbarer Boden. Eine begrenzte natürliche Ressource, die sehr hohe Ernteerträge ermöglicht. Zuckerrüben und Weizen sind deshalb die großen „Renner“. So ist es nicht verwunderlich, hier ein weltweit agierendes Unternehmen für Pflanzenzucht und Saatgut vorzufinden. Die regionalen klimatischen Bedingungen, gepaart mit dem fruchtbaren Boden des Harzvorlandes, erschienen 1877 dem Landwirt Friedrich Strube als ideale Voraussetzung, die „Saatzucht Strube“ in Schlanstedt zu gründen.
Nach der Enteignung des Stammsitzes im Jahre 1945 errichtete das Familienunternehmen vor 63 Jahren seinen Hauptsitz 20 Kilometer westlich in der stillgelegten Zuckerfabrik Söllingen. Nach der Wiedervereinigung kaufte Strube den Stammsitz Schlanstedt zurück und baute ihn zu einem weiteren Firmenstandort aus. 2018 übernahmen die familiengeführten Unternehmen Deleplanque & Cie und SUET Saat-und Erntetechnik GmbH gemeinsam das Saatzuchtunternehmen Strube.
Das Ziel heißt Nachhaltigkeit
Die Strube D&S GmbH bietet ein Komplettpaket von der Erforschung und Entwicklung des Saatgutes bis zur Rundumbetreuung des Kunden direkt vor Ort an. „Wir züchten unsere Sorten ohne Einsatz von Gentechnik“, klärt mich Joseph Wachtel auf, Leiter des Bereiches Kommunikation und Marketing. Traditionell gezüchtete Sorten, die über langjährige Selektion entstehen, benötigen bis zur Marktreife 10 Jahre. „Diese lange Zeit ist eine Herausforderung, denn leider haben wir keine Glaskugel, welche uns die Zukunft zeigt. Wir müssen vorausschauend denken und handeln!“
Deshalb liegt der Fokus des Unternehmens Strube nicht nur auf dem schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen, sondern auch auf einer stärkeren Ausrichtung zu mehr Nachhaltigkeit. Man ist sich sicher, mit diesem Ziel den richtigen Weg für seine Zukunft gewählt zu haben.
Immer einen Schritt schneller
Der Klimawandel sorgt für extremere Wetterbedingungen. Zusätzlich kommen noch Schädlinge und Pflanzenkrankheiten dazu. „Das alles stellt die Pflanze vor große Herausforderungen,“ meint Maja Schwach. Verschiedene Züchtungsprogramme des Unternehmens sorgen dafür, dass die zukünftigen Sorten optimale Pflanzenbestände hervorbringen und durch schnelles, homogenes Wachstum bestechen. An das Saatgut, an dem heute geforscht wird, ist eine hohe Erwartung geknüpft. Das Herz des Saatzuchtunternehmens sind deshalb seine Labore - und ich darf einen Blick hineinwerfen!
Alles ist halbautomatisch, hochmodern und streng geheim. Dass die Strube D&S GmbH große Summen in ihre Stadtorte investiert, das sieht man hier. Aber das alleine reicht nicht. Gut ausgebildete, spezialisierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie langjährige Erfahrungswerte garantieren den Erfolg.
Wie "Q" in seinem Labor
Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten hochkonzentriert an aufwendigen 3D-Analysen. Diese 3D-Daten geben Auskunft über Keimfähigkeit, Triebkraft, Blattwuchs und Wurzelgröße der Pflanze. Gegenstand der Forschung ist es auch, wie die Pflanze mit Hitze und Trockenheit umgeht oder ob sie durch Resistenzen erkennbar widerstandsfähiger auf Krankheiten reagiert.
Ich assoziiere das Gesehene ein bisschen mit dem Geheimlabor aus den James Bond Filmen. Es würde mich nicht wundern, wenn der zukünftige Samen einfach über Nacht als Pflanze aus der Erde ploppt, bei plötzlichem Bodenfrost Wärme produziert, bei Wassermangel einen Wurzeltrieb bildet, der sich zum Grundwasser durchschlängelt oder sauer auf seine Feinde reagiert. Okay, vielleicht ist meine Assoziation eine bisschen übertrieben.
Spielend Neues lernen
Till Henties, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Technikum Saatgutforschung kommt dazu. Er möchte mir den „phenoFieldBot“ zeigen. Das ursprüngliche französische Trägerfahrzeug DINO der Firma Naio Technologies konnte Strube zu einem Feldroboter mit künstlicher Intelligenz umbauen. Zusammen mit dem Fraunhofer-Institut, der größten Organisation für anwendungsorientierte Forschung in Europa, wurde ein Algorithmus programmiert, der dem Roboter intelligentes Verhalten und maschinelles Lernen ermöglicht. So dient der „phenoFieldBot“ auf Strubes Versuchsfeldern als eigenständiger Pflanzenvermesser.
„Da die künstliche Intelligenz das Saatgut vom Unkraut unterscheidet, kann der Roboter die Pflanze autonom vermessen“, erklärt mir Henties. Er startet den elektrischen Fahrantrieb, lässt den Roboter mit sichtlicher Begeisterung um die eigene Achse drehen und erklärt mir dabei dessen technischen Aufbau.
Vier Augen sehen mehr als zwei
Vier multispektrale Kameras nehmen zeitgleich Farb- und Nahinfrarotbildserien von jeder einzelnen Zuckerrübenjungpflanze auf. Der „phenoFieldBot“ errechnet aus diesen Bildserien ein hochaufgelöstes Gesamtbild der Versuchsparzelle und ermittelt die Feldauflaufgeschwindigkeit aller Pflanzen sowie die Funktionalität der Beizvarianten, dem mitgegebenen Schutzschild des Samens. Er archiviert diese Erfahrungswerte und nutzt sie bei neuen Messfahrten.
„Unser Feldroboter liefert mit seinen präzisen Daten beste Forschungsgrundlagen“, so Henties. Grundlagen etwa, um spezielle Saatguteigenschaften zu fördern, wie zum Beispiel das Gelingen einer gleichmäßig schnellen Bodenbedeckung. Derartige Attribute könnten helfen, Herbizide zu reduzieren oder gar ganz zu vermeiden. Mit dieser innovativen Technik kommt das Saatzuchtunternehmen Strube seinem Ziel, mehr Nachhaltigkeit, deutlich näher.