Die digitale Transformation betrifft nahezu alle Felder des Automobilbaus. Dipl. Kfm. Thomas Schmall ist Thomas Schmall ist Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG, Geschäftsbereich Technik, und Vorsitzender des Vorstands der Volkswagen Group Components und gibt uns im Gespräch Einblicke ins Thema Smart Mobility und in Zukunftsstrategien sowie aktuelle Innovationen des Volkswagen Konzerns. Das Interview:
Smarte Mobilität betrifft nicht nur Volkswagen
- sondern verändert die Gesellschaft insgesamt
Was ist die Vision von Volkswagen auf dem Gebiet Smart Mobility?
Smarte, also intelligente Mobilität ist ein Oberbegriff für Themen, die nicht nur uns als Automobilhersteller, sondern die Gesellschaft insgesamt verändern. Die Tragweite der Änderungen kann man gut anhand der gesellschaftlichen Veränderungen durch Smartphones erläutern. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass wir zu jedem Zeitpunkt, an jedem Ort mit jeder Person verbunden sein können? Eine noch größere Tragweite wird die Digitalisierung beim Verkehr haben. Das Auto wird wie ein Smartphone auf Rädern mit seiner Umwelt vernetzt sein. Und über die Elektromobilität und das automatische Fahren ergeben sich eine Vielzahl von Möglichkeiten die individuelle Mobilität sauber, sicher, und komfortabel zu gestalten. Ich selbst habe lange in Sao Paulo in Brasilien gelebt und weiß aus eigener Erfahrung, wie groß der Bedarf nach intelligenten Verkehrslösungen in solchen Megacities ist.
Woran arbeiten die Entwickler bei den vielen Themen derzeit besonders intensiv?
Grundsätzlich betreffen die Veränderungen nahezu alle Felder des Automobilbaus. Von etablierten Technologien wie der Fahrwerksentwicklung bis zu komplett neuen Themen wie Car2Car Kommunikation oder auch unseren Arbeitsmethoden. Ein sehr wichtiges Arbeitsfeld für den Volkswagen Konzern ist aber der sogenannte Modulare Elektrifizierungsbaukasten – kurz MEB.
Der MEB ist der Beschleuniger und das klare Bekenntnis zur Elektromobilität bei Volkswagen. Klar ist aber: Auch in zehn Jahren werden Verbrennungsmotoren noch eine signifikante Rolle spielen – und auch diese wollen wir mit Innovationskraft und Know-how gestalten. Unsere spannendste Herausforderung, insbesondere in der Volkswagen Komponente, besteht darin, dass wir beides zugleich stemmen müssen!
Mit der Roadmap E hat sich der Konzern ehrgeizige Ziele gesetzt, und die Komponente einen wichtigen Beitrag leistet: Bis 2025 wollen wir 80 neue Modelle auf den Markt bringen, davon 50 reine E-Fahrzeuge und 30 Plug-In-Hybride, das sind bis zu drei Millionen E-Autos pro Jahr – mit einer Reichweite von bis zu 600 Kilometern. Für den Kunden ist u.a. spannend, dass durch die neue Elektroarchitektur der Innenraum des Autos ganz anders genutzt werden kann. Auch kleine Modelle bieten ein Interieur, das die üblichen Klassengrenzen außer Kraft setzt.
Wann können wir Kunden die aktuellen Entwicklungen im Serienfahrzeug erleben?
Bereits heute bieten wir erfolgreich innovative Elektrofahrzeuge an. Der eGolf hat nach seinem Update eine Reichweite von echten 200km, was für die meisten Situationen im Alltag ausreichend ist. Die Volkswagen Komponente ist daran maßgeblich beteiligt.
Welche Rolle spielt dabei Ihr Bereich Komponente?
Unser Standort Kassel ist Leitwerk für E-Maschinen und fertigt künftig den MEB-Antriebsstrang. Das Werk Braunschweig fertigt aktuell bereits die Batteriesysteme für e-up!, e-Golf sowie Passat GTE. Ohne das Know-how z.B. in der Entwicklung und Produktion von Batteriesystemen im Werk Braunschweig würden wir dieses Produkt nicht anbieten können. Am Standort Salzgitter gehen wir beim Thema Batterie den nächsten Schritt: Im Rahmen eines Centers of Excellence für Batterien entsteht eine Pilotanlage zur Batteriezellenfertigung.
Beim konzernweiten Aufbau und Einstieg in die Elektromobilität spielt die Komponente eine zentrale Rolle. Aus diesem Grund ist die Neuausrichtung der Komponenten-Aktivitäten eine wesentliche Säule des Zukunftsprogramms TOGETHER Strategie 2025. In der neuen Geschäftseinheit „Konzern Komponente“ werden die Komponentenaktivitäten unternehmensweit gebündelt, um den Wandel zur Elektromobilität konzernweit voranzutreiben – mit gestärkten Inhouse-Kompetenzen und noch effizienter ausgerichtet. Insgesamt 56 Werke verschiedener Marken entwickeln und produzieren mit rund 80.000 Mitarbeitern auf fünf Kontinenten z. B. Motoren, Getriebe und Fahrwerk-Komponenten für die Marken des Volkswagen Konzerns.
Welche Innovationen erwarten uns?
Ab 2020 wird auf der MEB-Basis der neue I.D. angeboten – er wird ein echter Game-Changer. Er steht für Langstrecken-Elektromobilität, Konnektivität, automatisches Fahren und damit für die Zukunft bei Volkswagen. Basis dafür ist der genannte Modulare Elektrifizierungsbaukasten. Die Werke Salzgitter und Braunschweig werden zum Beispiel wichtige Lieferanten für den I.D.. Ein weiteres Innovationsfeld neben Batteriezellen und der E-Maschine sind elektrische Lenkungen, die wir heute schon anbieten und in den kommenden Jahren weiterentwickeln.
Hinzu kommen neue Geschäftsfelder, bei denen wir unseren Kunden gute Lösungen anbieten wollen: Die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge ist ein zentrales Thema, um der E-Mobilität zum Durchbruch zu verhelfen. Die Batterie muss man end-to-end denken – also Nutzungsmöglichkeiten über den ganzen Lebenszyklus hinweg schaffen. Und langfristig brauchen wir integrierte Mobilitätskonzepte, die den Kunden perfekt von A nach B bringen: für einen Teil der Strecke vielleicht mit einem Car Sharing, und einem Teil per Flugdrohne… Für all diese Themenfelder arbeiten wir an – teils weit gediehenen, teils ganz neuen - Konzepte mit.
Besonders in unserer Heimatregion Braunschweig-Wolfsburg gestaltet Volkswagen gemeinsam mit vielen Partnern die Zukunft. So arbeiten wir seit vielen Jahren mit der Technischen Universität Braunschweig oder der Stadt Wolfsburg zusammen. Zentrale Themen sind dabei z.B. Autonomes Fahren oder Digitalisierung. Auch die Wolfsburg AG, die ich als Aufsichtsrat begleite, entwickelt zukunftsorientierte Impulse und Initiativen für Wirtschaft und Leben in der Region und treibt sie voran. Das in Wolfsburg entwickelte Projekt „Urban Mobility Assistance“ beispielsweise soll helfen, das Verkehrsaufkommen im städtischen Umfeld besser zu steuern oder gar zu mindern. Entstanden sind bislang zwei Apps, die das Organisieren von Mitfahrgemeinschaften vereinfachen bzw. eine intelligente Navigation bieten, die auch freie Kapazitäten in Wolfsburger Parkhäusern aufzeigt. Besonders gefällt mir, dass das Land Niedersachsen und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) kooperieren und ein Testfeld für automatisiertes Fahren aufbauen. Auf den Autobahnen 2,7,391 und 39 sowie auf Bundes- und Landstraßen wird bis Anfang 2018 schrittweise die notwendige Technik dafür installiert. Mit all diesen Aktivitäten steht unsere Region für Pioniergeist, wirkungsvolle Kooperationen und kundenfreundliche Produkte von heute und morgen.