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Hankensbüttel - Mexiko:
Wie Kunststoffexpertin Aline Henke ihr Unternehmen „hk“ lebt

Es gibt Mitarbeiter, die sind schon seit 35 Jahren bei der Hankensbütteler Kunststoffverarbeitung (hk). Sie kennen Aline Henke noch als Schulkind. Wenn sie den Papa, den Boss der hk, besuchte, steckten ihr die Mitarbeiter schon mal Bonbons zu. Heute ist sie die Chefin. Und wer das Sagen hat, der hat bekanntlich nicht immer nur Süßigkeiten zu verteilen.

Aline Henke (44) strahlt ihr charmantes Lächeln und sagt: „Mag sein, dass das für manche anfangs nicht ganz einfach gewesen ist.“ Aber im Grunde hat der Stabwechsel an der Spitze des mittelständischen Unternehmens mit Standorten in der Heide und in Mexiko gut geklappt. Er kam ja auch nicht holterdiepolter über Nacht, sondern bahnte sich an. Ausbildung zur Industriekauffrau in der väterlichen Firma, BWL-Studium in Lüneburg, Assistenz beim Aufbau des Firmenablegers in Mexiko.

 

„Dynamische Unternehmerin“

Seit 2003 ist Aline Henke wieder im Betrieb, seit 2010 führt sie die Geschäfte. „Das Geschäft war ganz stark auf meinen Vater zugeschnitten.“ Als er die Firma für Kunststoffspritzguss 1973 auf dem Gelände einer ehemaligen Strickerei aufbaute, „da war er einer der Kunststoffexperten schlechthin“. Die Automobilindustrie schätzte seinen Rat, schnell ging es bergauf. Mittlerweile, so Henke, gibt es bundesweit 3.000 Kunststoffverarbeiter in allen möglichen Branchen.

Passend zum ehemaligen Gelände einer Strickerei war also die Firma auf das Wissen ihres Vaters zugestrickt. „Er ist der Gründer, der Firmenpatriarch. Da war schon meine Überlegung, ob das gutgeht, wenn mein Vater sich irgendwann aus dem Tagesgeschäft zurückzieht.“ Es ging gut. Aber Aline Henke, die die Charakterisierung „die dynamische Unternehmerin“ für sich durchaus passend findet, ist eben nicht einfach in die Fußstapfen des Vaters getreten.

Wer denkt: „Och, in diese schönen großen Fußstapfen, da lässt es sich prima reinspringen“, der kann eben nur eines: folgen. Davon ist Henke überzeugt. Sie prägte ihre eigene Firmenphilosophie: „Dem Unternehmen Fortbestand und Zukunft zu geben geht nur, wenn ich meinen Leuten die Möglichkeit zum Handeln gebe.“ Und weil der Erfolg des Geschäfts nicht nur von einem Kopf abhängen dürfe, agiert sie eben nicht „als bester Spieler“ wie einst noch der Vater, der schon mal selbst im Blaumann an der Maschine stand. Aline Henke coacht ihr Team, setzt die unternehmerischen Akzente.

 

„Meine Freizeit heißt Familie“

Eine Frau an der Spitze – gab es da Vorbehalte, Bedenken? „Nein!“ Ihr Vater habe ihr den Job immer zugetraut, vonseiten der Kunden habe sie auch „nie Einschränkungen verspürt“. Und wie ist das so mit dem politischen Dauerbrenner „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, der immer wieder gern die Bundestagsdebatten befeuert? „Ach, wissen Sie, ich habe mich eigentlich immer mit Penthouse, fünf Hunden und als Single gesehen“, lacht die junge Frau, die mir lässig in Levis und Poloshirt gegenübersitzt.

Als dann der Richtige kam, kam auch ein Kind. Mittlerweile ist ihre Tochter sieben und besucht die Grundschule. Ihr Mann arbeitet in Teilzeit „sieben Bürotüren weiter“, ein großer Einschnitt für ihn, klar, „sein Zurücktreten von seiner Karriere für unser Kind hat all meinen Respekt“, sagt sie liebevoll und fügt hinzu: „Bei uns ist der Papa die Mama. Das schützt unser Kind vor der Glucke!“

Bis mindestens 18 Uhr ist sie täglich im Betrieb, vier bis fünf Mal im Jahr für jeweils 10 Tage in Mexiko. Auf die Frage nach Ausgleich sagt sie: „Meine Freizeit heißt Familie.“ Einfach Zeit zusammen verbringen, Laub rechen, Brettspiele spielen, die schönen unspektakulären Dinge, die Familie ausmachen.

 

Engagement nach Feierabend

Ihr elterliches Zuhause war damals direkt neben der Firma, „was mit 15, wenn man mal sturmfrei hatte und dann doch die Nachtschichtler guckten, was Aline so treibt, nicht so doll war.“ Sie wohnt aber natürlich auch in Hankensbüttel. Und weil sie es wichtig findet, engagiert sie sich auch nach Feierabend: Vize im IHK-Präsidium, Mitglied im Industrieausschuss, Mitbegründerin der Wirtschaftsjunioren Gifhorn/Wolfsburg. „Das ist mein außerbetrieblicher Ausgleich.“

IHK-Innovationsbotschafter Aline Henke

Mit Verlaub – Hankensbüttel ist nicht unbedingt the sexiest place ever. Aline Henke lacht: „Nein, Hankensbüttel muss man schon wollen.“ Natürlich sei es schwierig, hoch qualifizierte Leute hierherzulocken.  Und da gerät sie schon wieder ins Sprudeln: „Wir brauchen natürlich Breitbandanschluss und die A 39, gern noch vor meiner Pensionierung!“ Ländlich muss man es schon mögen, um hier heimisch zu werden, aber dann sei auch alles da: Schulen, Apotheke, Ärzte, Supermärkte, Einzelhandel. ImmoScout und Lieferando – okay, da sieht es mau aus. „Aber ich lebe gern hier!“

 

Maschinen, Anekdoten, Dauerläufer

Wenn man mit Aline Henke durch den Betrieb geht, merkt man, dass diese Frau hier groß geworden ist. Sie kennt nicht nur jede Maschine und mitunter auch eine kleine Anekdote dazu, sie managt den Laden nicht nur, sondern sie lebt ihn auch. Das ist vielleicht doch ein bisschen das Erbe des Vaters.

Beherzt greift sie in die Kiste, in die unermüdlich kleine schwarze Kugelkopfgelenke aus der Maschine ploppen. 45 Millionen spucken die Maschinen davon im Jahr im Drei-Schicht-Betrieb aus. „Einer unserer Dauerläufer!“ Dieses Teil gehört zu den Gasdruckfedern, die die Kofferraumklappe so schön automatisch hochfahren lassen. Ein Teil, das enorm viel aushalten muss. Kälte, Hitze, dauernd auf und zu.

Ausbildungsberufe bei der Hankensbütteler Kunststoffverarbeitung (hk) / MEINE-REGION.de

Konstanz der Prozesse und Verlässlichkeit der Wiederholungsgenauigkeit seien große Themen, ruft mir die Chefin über dem moderaten Lärmpegel in der Halle zu. Da ist sie in ihrem Element. Auch das 45-millionste Teil muss eben 100-prozentig  sein. „Wir sind hier eher langfristig unterwegs. Von einer Anfrage bis zum Serienbeginn bis hin zur Ersatzteilverpflichtung, das kann schon mal drei Fahrzeuggenerationen überdauern.“

Zum Schluss das Unternehmen in Zahlen: 158 Mitarbeiter gibt es in der Heide und in Mexiko. 800 Tonnen Rohmaterial verarbeitet die Hankensbütteler Kunststoffverarbeitung  im Jahr zu 93 Millionen Teilen. 140 verschiedene Rohstoffe kommen zum Einsatz. Die Kundschaft: Automobilhersteller, auch aus Wolfsburg (30 Prozent). Der Jahresumsatz: rund neun Millionen Euro.

Derzeit reichen die 3.800 Quadratmeter Firmenfläche noch. Aline Henke öffnet eine Tür und weist auf eine Weide, wo derzeit ein Biobauer seine Galloways züchtet. „Das ist unsere Erweiterungsfläche, für den Fall der Fälle.“