Es ist der 5. Dezember 2020, 11:40 Uhr. In der Turnhalle der OGS Rühme in Braunschweig ist noch nichts los, aber das wird sich gleich ändern. Vorn sind in drei Reihen Turnbänke aufgestellt, dahinter einige Stühle. Große Displays, Mikrofone und Lautsprecher ergänzen das Bild. Alles wartet auf die Siegerehrung des BraWo step-Schrittzähler-Wettbewerbes. Auf einem Tisch stehen einsam zwei grüne Kunststoff-Helden mit Umhang, die Arme zur Siegesgeste erhoben. Wer wird sie nachher in die Höhe recken?
Schritt für Schritt zum Sieg
Das BraWo step-Projekt
Aber der Reihe nach: Laut einer Langzeitanalyse der Weltgesundheitsorganisation WHO bewegen sich 80 Prozent der Kinder in Deutschland zu wenig. Wie bitte? Achtzig Prozent? Wird nicht mehr auf Bäume geklettert, fangen gespielt, Fußball gebolzt oder Gummitwist gehüpft? Anscheinend eher nicht. Die Gründe hierfür sind hinlänglich bekannt: Zu viel Rumdaddelei am Smartphone, zu viel Zeit vor dem PC. Eltern, die ihren Nachwuchs nicht zur Bewegung anregen, da sie sich selbst wenig bewegen. Viele Kinder wohnen zudem in der Stadt und hätten laut Studie kaum Raum für Aktivitäten.
3900 Kinder machen mit
Das wollten die Cleven Stiftung, die Volksbank BraWo und das Kindernetzwerk United Kids Foundations ändern und gründeten den Bewegungswettbewerb „step“. Malte Heinemann, Geschäftsführer der Cleven Stiftung, erläutert mir vor der Preisverleihung den Umfang des deutschlandweiten Projekts. „Den Schrittzähler-Wettbewerb hat die Cleven-Stiftung ins Leben gerufen. 208 dritte und vierte Klassen aus 80 Grundschulen in 7 Bundesländern mit über 3.900 Kindern haben beim step-Schrittzähler-Wettbewerb mitgemacht, 1.565 Schüler allein aus der Region der Braunschweig-Wolfsburg. Und hier in Rühme sind gleich zwei Klassen die fleißigsten Schüler und Schülerinnen im Schrittezählen.“
Fast 30.000 Schritte - Drittklässler sind spitze
Und dann stürmen sie herein, die Kinder zweier Klassen mit ihren Klassenlehrerinnen und einigen Eltern samt Geschwistern. Fast alle Schüler und Schülerinnen tragen ein giftgrünes Armband. Diese Fitnessarmbänder erfassen die Schritte ihrer Träger anonym, also ohne dass dabei ein GPS-Signal gesendet wird. Es funktioniert aufgrund von Erschütterungen, die beim Laufen entstehen. Zwei Monate lang haben die Schüler*innen der Klassen 3a und 3b rund 29.000 Schritte erlaufen. Diese wurden auf einem virtuellen Klassenschrittkonto gutgeschrieben.
Die drei Laudatoren Carsten Ueberschär (Leiter der Direktion Braunschweig der Volksbank BraWo und Botschafter des Kindernetzwerks), Thomas Fast (Vorstandsvorsitzender der Volksbank BraWo Stiftung und Leiter der Direktion Gifhorn) und Malte Heinemann formieren sich vor der kleinen Schar, um zur Preisverleihung zu schreiten. „Seid ihr alle da?“, fragt Thomas Fast in die blau gekleidete Runde. „Jaaaa“, kommt es aufgeregt zurück. Die drei machen es spannend. Sympathisch kindgerecht mit Quizfragen und bester Laune verraten sie erst die Gewinnerklasse des 2. Preises: Es ist die 3a, die 150 Euro für die Klassenkasse erhält. Jubel bei den Kindern und ihren Eltern.
"Wir haben jeden weiteren Weg gern genommen"
Überschwänglich gratuliert Carsten Ueberschär den Gewinnern. „Das ist echt der Wahnsinn! Das habt ihr toll gemacht! Herzlichen Glückwunsch zu dieser grandiosen Leistung.“ Dann fragt er noch: „Hat euch denn das Schrittzählen Spaß gemacht, also die Bewegung?“ Mit der folgenden Antwort hat sicherlich keiner gerechnet: „Joa, so wie immer“, antwortet einer der Knirpse gelassen. Damit hatte er die Lacher auf seiner Seite. Viele Kinder werden auf jeden Fall weiter mit dem Fitnessarmband Schritte zählen, das ist klar. Eine Motivation für zusätzliche Bewegung ist sicherlich auch, dass die Kids die grünen Armbänder behalten dürfen.
Dann werden viele Fotos gemacht und schicke Kids-Foundation-Caps verteilt. Als die Aufmerksamkeit langsam nachlässt, ergibt sich für mich die Gelegenheit, einmal mit Eltern über die Aktion zu sprechen. Ich frage die Mütter der drei Freundinnen Merle Schüler, Giulia Gallo und Nia Aldinger, die gemeinsam mit der Trophäe für ein Foto posieren, nach ihren Erfahrungen mit der zweimonatigen step-Phase. „Ja, der Preis war schon ein Ansporn“, sagt Giulias Mutter, „wir sind auf jeden Fall mehr spazieren gegangen in der Zeit.“ Und Merles Mutter berichtet, dass in den Zeitraum zufällig das Training zum Nachtlauf fiel, was viele Schritte einbrachte, der Fahrstuhl kein Thema mehr war und jeder weitere Weg bewusst gern genommen wurde. „Wir Eltern waren schon hinterher, wir haben unsere Kinder gern unterstützt und motiviert. Jede Klasse wollte doch die beste sein!“, erinnert sich Frau Aldinger.
Volksbank BraWo-Stiftung engagiert sich gegen Armut
Am Ende der Veranstaltung frage ich Thomas Fast, wieso sich die Volksbank BraWo-Stiftung gerade um die sportliche Aktivität von Schülern und Schülerinnen kümmert. „Die Stiftung beschäftigt sich mit der Linderung von Armut in mehreren Bereichen. So haben wir uns in diesem Jahr mit dem „Walk for help“ für die Linderung von Kinderarmut eingesetzt. Aber es geht uns auch um eine andere Art von Armut, zum Beispiel die Bewegungsarmut. Die Folgen von Bewegungsmangel sind unter anderem Haltungsschäden und Herz-Kreislauf-Probleme, aber auch Konzentrationsmangel und Probleme beim Stressabbau. Deshalb haben wir von der United Kids Foundation in diesem Jahr das Projekt „step“ in die BraWo-Region geholt. Wir konnten 32 Schulen für die Teilnahme gewinnen, was uns sehr freut.“ Denn: „Kinder sind unsere Zukunft und für sie setzen wir uns gern ein“, sagt der gut gelaunte Banker in Anzug und Turnschuhen. Zur Siegerehrung wurden übrigens Apfelspalten und Mineralwasser gereicht.