Auf dem Hof Wiedemann werden Erdbeeren nicht nur geerntet und verkauft, sie werden auch zu Marmelade verarbeitet, die im Hofladen angeboten wird. Susanne Jasper taucht hier in unwiderstehliche Duft- und Geschmackswelten ein.
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Erdbeeren beim Hof Wiedemann: Unwiderstehlicher Duft der süßen Frucht
Allein schon dieser Duft! Wenn du die Augen schließt, könntest du dich glattweg in ein Erdbeerfeld wegträumen, die süßen Früchte direkt vor deinem Mund, du musst sie nur mit beherztem Biss abernten … So, genug gesponnen, nicht dass du noch vor lauter Naschträumerei die Kamera in den blubbernden Topf platschen lässt. Wir sind nicht auf dem Feld, sondern in der Wirtschaftsküche auf dem Hof Wiedemann. Und lassen uns mal zeigen, wie aus dem Kernprodukt des Betriebs, der Erdbeere, in Nullkommanichts Erdbeermarmelade wird.
Apropos nullkommanichts: Erdbeermarmelade selbst herzustellen, ist echt kein Zauberwerk. Wenn ich daran denke, wie oft ich schon mit dem Rezeptbuch von Kochguru Ottolenghi gehadert habe, das zwar fett mit dem Titel „Simple“ auf dem Cover rumkokettiert, dich aber schon bei der Zutatenliste gelegentlich vor Wut oder Scham - ich weiß das nicht so genau, die Gefühle oszillieren unentschieden irgendwo dazwischen - in den Holzkochlöffel beißen lässt, ist das Verfertigen von Erdbeermarmelade dagegen wie selig mit geschlossenen Augen in der Hängematte baumeln. Natürlich über einem Erdbeerfeld.
Im vergangenen Jahr wurden 500 Kilogramm Erdbeeren eingekocht
Natürlich kommt es auf ein erstklassiges Produkt an. Und das gibt es auf dem Hof der Wiedemanns, gelegen an der B1 zwischen Vechelde und Bettmar. Im vergangenen Jahr haben sie hier 500 Kilogramm Erdbeeren eingekocht. Tendenz: steigend. Das Produkt füllt nicht nur die Regale des Hofladens, sondern steht auch sinnbildlich für nachhaltiges Wirtschaften: Von den Wiedemann`schen Feldern geerntete und nicht verkaufte Erdbeeren werden zu wertigem Fruchtaufstrich verarbeitet.
Marie Kruse (24) zeigt uns, wie aus zwei Kilogramm Erdbeeren und einem Kilogramm Gelierzucker in nicht mal einer halben Stunde Erdbeermarmelade wird. Okay, die Erdbeeren waren schon geputzt und geschnitten, aber komm, das macht die Sache auch nicht viel zeitintensiver.
Kruse ist seit einem Jahr hauswirtschaftliche Betriebsleiterin auf dem Hof Wiedemann, kümmert sich um alles rund um die Hofküche. Und heute verrät sie mir, die ich mich immer intensiver frage, warum ich nicht auch schon seit Jahren Marmelade koche, ein paar Tipps. Erstens: Den Saft einer Zitrone über die Erdbeeren geben und vorm Pürieren einwirken lassen. So hat`s der Pürierstab leichter. Und die Farbe trübt nicht ein, bleibt so schön erdbeerrot.
Obacht: Zeitpunkt der Gelierfähigkeit nicht vergeigen!
Ist alles püriert, kommt der Gelierzucker über die Masse, und das Ganze wird aufgekocht. Als die Masse blubbert und mir der köstliche Duft die Sinne benebelt, ist es eigentlich Zeit aufzupassen! Also: Exakt vier Minuten kochen lassen, dann ist der perfekte Gelierpunkt erreicht. Kocht man zu lange, taugt das Ganze allenfalls noch als Erdbeersuppe, die Gelierfähigkeit ist dann rausgekocht.
Mit der Schöpfkelle nimmt Marie Kruse den Schaum ab, der sich während des Kochprozesses bildet. Wegen der Optik? Nein, hier geht es nicht um Schönheit, sondern darum, dass der Schaum zu viel Luft mit ins Glas brächte.
Kindheitserinnerung: Omas Kompott aus dem Keller
Dann träufelt Kruse ein wenig der Masse auf einen kleinen Unterteller, hält ihn senkrecht und testet so, ob die Masse tatsächlich geliert. Tut sie – nichts tropft. Und dann geht`s ab in die Gläser, 230 ml Füllmenge pro Glas. So akkurat muss man es zu Hause nicht machen, hier schon, denn schließlich gehen die Gläser ja in den Verkauf.
Als ich später durch den Hofladen schlendere, sehe ich sie im Regal stehen, die fruchtigen Aufstriche, die allesamt die Erdbeere im Glas tragen: mit Rhabarber oder Prosecco, stückig oder püriert, mit Vanillenote oder Basilikum, zum Trio vereint mit Himbeeren und Brombeeren oder Heidelbeeren und Cranberrys.
In anderen Regalen entdecke ich eine Kindheitserinnerung: Kompott! Wie bei meiner Oma, da gab es nach reichlich Frikadellen mit Leipziger Allerlei zum Nachtisch Birnenkompott. Aus schweren Kristallschalen.
Bauernprodukte aus der Umgebung
Als Kind hatte ich auch einen Kaufmannsladen. Und ein klein wenig erinnert der Hofladen auch daran: die Waren schön präsentiert in Auslagen, überdacht von einem rot-weiß-gestreiften Stoffdach, die Regale aus Holz, die Eier lose zum selbst abpacken, ebenso wie die Kartoffeln. Das Trio Erdbeeren, Kartoffeln, Eier ist gewissermaßen das Markenzeichen des Hofs. Tomaten, Brokkoli, Kohlrabi, Fenchel, Zucchini gedeihen ebenfalls in Folientunneln auf dem Hofgelände. Alle anderen Produkte im Laden, vom Wein bis zum Käse, vom Fleisch bis zum Spargel, vom Brot bis zur Milch werden von regionalen Erzeugern geliefert.
Keine Angst vor großen Torten!
Zum Laden gehört auch ein Café, über dem an diesem Nachmittag nicht nur der appetitliche Duft von eingekochten Erdbeeren liegt, sondern auch das Geplausche von mehreren Damenkränzchen. Doch immer donnerstags gibt sich hier auch eine Männertruppe ein Stelldichein, erzählt Vivian Koenig (42), die den Hofladen managt. Im Café gibt`s Frühstück, nachmittags Kaffee und Kuchen. Drinnen hat`s Platz für 40, draußen im Garten für 70 Gäste.
Und hier kommt wieder Marie Kruse ins Spiel. Gemeinsam mit drei Teilzeitbeschäftigten ist sie fürs süße Backwerk verantwortlich. Stachelbeerbaiser, versichern die beiden Frauen, sei der Renner. Saisonal natürlich alles rund um die Frucht, angefangen bei der Erdbeere bis hin zu Pflaume. Bammel vor großen Torten kennt die junge Frau nicht. Das brauche Geduld und Routine – und die hat sie, hat sie doch zuvor in einem Betrieb gearbeitet, bei dem mitunter 50 Torten täglich über den Tresen gingen. Marie Kruse hat zudem einen Suppentag ersonnen: Im Herbst gibt es im Café einmal wöchentlich etwas aus dem Suppentopf.
Drei Eier und viele freundliche Worte
Und dann ist da noch der Verkaufswagen. Der rollt für mich mit noch einer Erinnerung heran: In meinem Dorf gab es früher einen Bäckerwagen. Dort holten meine Söhne am Wochenende die Brötchen. Und waren stolz wie Oskar, wenn sie mit der Tüte vor der Brust in der Haustür standen. Und gleich ein paar Zentimeter größer. Anfang der 2000er Jahre kam der Wagen dann nicht mehr.
Wiedemanns Verkaufswagen ist gut ausgelastet, die Mittwochstouren fährt Vivian Koenig. Je nach Ortschaft hat sie sieben bis 15 Haltepunkte. Ein Navi braucht sie nicht, sie weiß, wo ihre Kunden wohnen, die Woche für Woche treu bestellen. Weil sie kein Auto haben. Oder ein Handicap. Oder einfach Auswahl und Qualität schätzen.
Wenn der Wagen hält, kommen auch andere Kunden - Laufkundschaft aus der Nachbarschaft - mit ihren Körben und decken sich mit Hofladenware ein. Sie hat einen Kühlschrank und eine Kühlauslage an Bord, Kartoffeln, Obst, Gemüse, Wein, Eier eh. Eine Kundin bestellt jede Woche drei Eier. Ob sich das rentiert? „Das ist Service“, sagt Koenig. Service, der keinen Cent kostet. Im Hofladen kostet es das gleiche.
Ein kleiner Plausch gehört für sie im Verkaufswagen dazu. Ebenso wie ein klein wenig Mut, den 7,5-Tonner zu fahren. Aber bisher ist ihr noch kein einziges Ei kaputt gegangen.