Im Oktober 2013 eröffnet Astrid Schulze im 100-Seelen-Ort Gannerwinkel ein A-la-Carte-Restaurant. Das FRITZ ist das zweite Lokal im Haus und die kulinarische Erweiterung des traditionsreichen Gasthauses Schulze. Von ihrer Mutter übernimmt Astrid Schulze zu diesem Zeitpunkt den kompletten Betrieb. Das Gasthaus auf dem Land ist ein beliebter Anlaufpunkt, wenn Familienfeiern anstehen, und bekannt für gutbürgerliche Büfetts. Kann diese Kombination gutgehen?
Wenn Opa Schulze das wüsste!
Im FRITZ wird Essen zum Erlebnis
Eine Kochmütze, sieben Pfannen und andere Auszeichnungen
Die vergangenen drei Jahre zeigen: Astrid Schulzes Konzept geht auf. Der Start des FRITZ mit Küchenchef Keven Schäfer kann getrost als sehr gelungen bezeichnet werden. Auf Anhieb bewertet die Gourmet-Bibel Gault&Millau das neue Restaurant mit 13 Punkten und einer Kochmütze. Damit liegt das FRITZ in Gannerwinkel in etwa gleichauf mit dem Chardonnay in Wolfsburg und dem Zucker in Braunschweig. Der Varta-Führer vergibt zwei Diamanten und der Gusto-Gourmetführer sieben Pfannen.
Start-up Story: Restaurant FRITZ
Ideen und internationale Erfahrungen gesammelt
Astrid Schulze war weg von zu Hause und hat viel erlebt, bevor sie in die Heimat zurückkehrt. Im Hamburger Hotel Atlantic Kempinski erlernte sie den Beruf der Hotelfachfrau. Nach dem Abschluss sammelt sie Erfahrungen in einem anderen Haus in Hamburg. Schließlich zieht sie nach Frankfurt, um als Expertin für Personalwesen die Eröffnung des dortigen Jumeirah zu begleiten. „Das war eine sehr wertvolle, internationale Erfahrung“, sagt sie.
Mit dem sicheren Gefühl, alles gesehen zu haben, was sie sehen wollte, kehrt Astrid Schulze zurück aufs Land. Und mit ganz vielen Ideen, die sie im elterlichen Betrieb realisieren kann. „Dabei habe ich mich früher gesträubt gegen die Gastronomie. Aber irgendwann habe ich festgestellt, dass ich nicht ohne kann“, bekennt sie lachend.
Die Chefin mag es persönlich …
Drei Räume im vorderen Bereich des Gasthauses, in denen früher die Großeltern gelebt haben, funktioniert Astrid Schulze um. Hier entsteht das lichtdurchflutete Restaurant mit elegantem, geschmackvollem Ambiente – ein Lokal zum Wohlfühlen. „Ich mag es gerne individuell und persönlich“, sagt die Chefin, die die Gäste meist selbst bedient. Von dieser Einstellung zeugt auch der Name: Sie benennt das FRITZ nach ihrem Großvater.
Astrid Schulze versteht Essen im FRITZ als Erlebnis, sie spricht von Entschleunigung. „Hier hält man sich länger auf“, sagt sie. Und ich glaube es ihr gerne.
… und der Ex-Azubi ist jetzt Chef
Doch kommen wir zum Höhepunkt meines Ausflugs nach Gannerwinkel – dem Besuch in der Küche. Hier wirkt seit Anfang Februar ein neuer Koch: Daniel Göttel. Der gebürtige Hankensbütteler ist direkt nach seiner Ausbildung zum Chef aufgestiegen. Sein Handwerk hat er im FRITZ erlernt – und wie!
Regionale Produkte auf dem Teller
Seine erste Karte ist ein Gemeinschaftswerk, an dem neben Daniel Göttel und Astrid Schulze auch die Köchin der Gasthausküche mitgewirkt hat. Und sie ist ganz im Stil des FRITZ. „Wir kreieren gerne neue Geschmacksrichtungen, indem wir Komponenten anders zusammenstellen. Traditionelle Gerichte und regionale Produkte neu interpretiert – so lässt sich unsere Küche auf den Punkt bringen“, sagt Schulze.
Zwei praktische Beispiele darf ich probieren: Daniel Göttel zaubert als Vorspeise geräucherte Lachsforelle und als Hauptgang Poulardenbrust. Klingt eigentlich unspektakulär, aber auf dem Teller entpuppen sich beide Gerichte als Augenweide.
Lachsforelle aus dem Naturpark Südheide
Ich stelle fest: Die Bezeichnung der Gerichte ist pures Understatement. Astrid Schulzes Mann Dennis räuchert das Filet der Lachsforelle, die übrigens in den Aschauteichen im Naturpark Südheide aufgewachsen ist, im selbst gebauten Smoker. Allein dies verspricht ein feines Geschmackserlebnis. Doch auch die Begleitung der Lachsforelle ist nicht ohne: Sie kommt mit Rote-Bete-Apfel-Salat mit Walnuss, Meerrettich-Espuma und Pumpernickel-Frischkäse-Praline. Ein kulinarisches Gedicht, von dem ich noch lange schwärmen werde!
Dann die Poulardenbrust. „Manchmal integrieren wir bewusst internationale Einflüsse“, hatte Astrid Schulze gesagt. Hier sind sie: Goldfarben liegt das Filet auf Wok-Gemüse mit Pak Choi, einer chinesischen Kohlart. Dazu gibt es Apfel-Sellerie-Püree, bestreut mit kandierten Erdnüssen, und einen Sesamchip. Über das Fleisch träufelt Daniel Göttel die perfekte Jus.
Unvergessliches Geschmackserlebnis
Meine Sinne sind betört, fast traue ich mich nicht, die Kompositionen aufzuessen. Zum Glück habe ich es doch getan – mir wäre ein grandioses Feuerwerk für den Gaumen entgangen. Und Astrid Schulzes Opa Fritz wäre mit Sicherheit stolz auf seine Enkeltochter.