Salzgitter ist eine kinder- und familienfreundliche Stadt. Das zeigt beispielsweise die Kindertheaterreihe „Kein Sonntag wie jeder Andere“, die in diesen Tagen in ihr 25. Jahr startet. Schon seit 1994 wird an verschiedenen Orten der Stadt Kindertheater angeboten. Ich fahre nach Lebenstedt, um herauszufinden, was in Salzgitter anders ist als anderswo.
Die Rettung des Sonntags in Salzgitter
- 25 Jahre Kindertheater
Schon der erste Kontakt ist ungewöhnlich: Antje Fischer, meine Ansprechpartnerin im Fachdienst Kultur der Stadt Salzgitter, unterzeichnet ihre Emails mit „Ciao“. Keine freundlichen Grüße oder sonstigen Höflichkeitsfloskeln. Einfach „Ciao“.
Jetzt bin ich neugierig, wer sich hinter dem unkonventionellen „Ciao“ verbirgt. Auf dem Weg verlaufe ich mich erst einmal in der Alten Feuerwache in Lebenstedt. Ich öffne ein paar Türen – nein, das ist die Musikschule. Antje Fischer beendet meinen Irrweg, indem sie mir wie zufällig auf dem Flur begegnet.
Ein Hauch von Musik und Fröhlichkeit in der Amtsstube
Obwohl ich zu spät bin und Fischer einen vollen Terminkalender hat, stellt sie mir erst einmal einen frisch zubereiteten Kaffee und Kekse hin. So viel Zeit muss sein. Ich studiere solange die bunten Plakate und Bilder, die jeden freien Zentimeter ihrer Bürowände bedecken. Hier wiehert nicht der Amtsschimmel, vielmehr scheinen Musik und Fröhlichkeit in der Luft zu liegen.
„Ich bin seit 2000 im Show-Biz“, beantwortet Antje Fischer meine entsprechende Frage mit einem Augenzwinkern. Die studierte Kulturpädagogin war im ersten Leben Erzieherin mit einer deutlich sichtbaren Schwäche für Theater.
Mission: Rettung des Sonntags
Nun entwickelt und betreut Fischer unter anderem mit viel Liebe und Hingabe die Kindertheaterreihe „Kein Sonntag wie jeder Andere“. Bei der 1996 ins Leben gerufenen Veranstaltungsreihe ist der Name Programm: „Unsere Mission ist tatsächlich die Rettung des Sonntags als freien Tag“, sagt sie. Denn der Sonntag sei nun mal kein Tag wie jeder andere.
„Der Sonntag ist eine frühe soziale Errungenschaft. Wir meinen, dass er gerade heute als Tag der Ruhe, der Gemeinschaft, der Befreiung von Sachzwängen, Fremdbestimmung und Zeitdruck unverzichtbar ist“, so Antje Fischer. Heute sei die Neigung, alle Dimensionen des menschlichen und gesellschaftlichen Lebens wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen, immer stärker geworden. „Dadurch geraten die Sonn- und Feiertage als Perioden der Arbeitsruhe unter Druck.“
Der Fachdienst Kultur engagiert sich deshalb seit vielen Jahren für eine neue Sonntagskultur. Die Familien sollen Gelegenheit haben, gemeinsam etwas Schönes zu unternehmen. „Die Zeit, die Eltern und Kinder zusammen haben, ist sowieso schon sehr reduziert. Kinder bekommen nur noch selten vorgelesen, dafür verbringen sie viel Zeit vor dem Fernseher. Wir wollten ein Kulturangebot für alle Generationen schaffen“, erklärt Fischer.
Die kleine „Kniki“ erleichtert Kindern den Einstieg in die Theaterwelt
Gemeinsam mit den Eltern und Großeltern können Kinder in Salzgitter-Bad die Theaterwelt entdecken. „Die kleinen Theaterbesucher lernen nebenbei Geduld, Konzentration und Disziplin. Hier kann man nicht ständig aufstehen und umherlaufen, auch gegessen und getrunken wird während der Vorstellung nicht“, sagt Fischer.
Seit 1996 findet „Kein Sonntag wie jeder Andere“ meist in der Kniestedter Kirche in Salzgitter-Bad, kurz „Kniki“ genannt, statt. Antje Fischer findet, dass die „Kniki“ der optimale Ort für das Kindertheater ist. „Mit den Säulen und dem Flair des ‚gelebten Lebens’ dieses Gebäudes vermittelt der Raum das Gefühl, in einer kleinen, behüteten Höhle zu sein. Diese Geborgenheit erleichtert den Kindern den Einstieg in die Theaterwelt.“
Wie beliebt die Reihe ist, zeigt sich vor allem an Sonntagen mit schlechtem Wetter. Dann verzeichnen die Organisatoren einen regelrechten Run auf die maximal 160 Plätze, die die „Kniki“ für eine Kindertheaterveranstaltung bietet. Und obwohl es inzwischen einen Kartenvorverkauf gibt, findet Antje Fischer den Moment des Einlasses immer noch spannend.
Weinende Kinder wegen „Räuber Hotzenplotz“
Der Anlass für die Einführung eines Kartenvorverkaufs war eine echte Katastrophe, an die sich die Veranstalterin mit Grauen erinnert. Zu einer Räuber Hotzenplotz-Aufführung kamen weit mehr Menschen, als die Kniki fassen kann. „Der Zustrom hörte und hörte nicht auf! Am Ende mussten wir weinende Kinder nach Hause schicken. Es war schrecklich und sollte nicht wieder passieren!“
Ungetrübte Vorfreude auf die drei kleinen Schweinchen, Filipa, die Zeitdiebe und das Urmel zählt seitdem zum Sonntagsprogramm. An zwei Stellen in Salzgitter sind Karten im Vorverkauf erhältlich. Auch telefonische Kartenbestellung ist möglich. Am Veranstaltungsort können die Besucher nach den Vorstellungen Karten für die zukünftigen Veranstaltungen erwerben.
Von Rattenkindern, Schafen und Bohnenstangen
Nun bin ich aber gespannt, welche Stücke Antje Fischer für das Frühjahrsprogramm 2020 ausgesucht hat. Ich werfe einen Blick in den ansprechenden Flyer und entdecke beispielsweise „Eliot und Isabella im Finsterwald“. Das Kindertheater Marmelock zeigt, wie die beiden Rattenkinder einen Kriminalfall aufklären. Mit Mut und guten Ideen gelingt es Eliot und Isabella, den entführten Opa Pucki aufzuspüren.
Geradezu phantastische Abenteuer erlebt Hannah, die an einer Bohnenranke hoch in den Himmel klettern kann. Das Kindertheater Kunstdünger erzählt Hannahs Geschichte im März. Die Geschichte basiert auf dem irischen Märchen „Jack and the Beanstalk“, dessen Ursprung in der keltischen Sagenwelt vermutet wird und im 16. Jahrhundert in England populär wurde.
Im April ist schließlich das Schaf Wolle zu Gast in der Kniestedter Kirche. Wolle widerfährt etwas Schreckliches: Die Wiese vor seinem Haus ist eines Tages verschwunden, dafür steht alles unter Wasser. Ob da eine Beschwerde beim öffentlichen Amt für Ungerechtigkeit hilft? Wer es wissen will, muss am 19. April um 15 Uhr in der „Kniki“ sein.
„Die Künstler holen das junge Publikum gekonnt ab, nehmen es mit und halten den Spannungsbogen. Sie reagieren aber auch flexibel, etwa wenn sie merken, dass sich die Kinder langweilen“, berichtet Antje Fischer.
Beliebte Vorstellungen für Schulen und Kindergärten
Vier Vorstellungen gibt es zwischen Januar und Ende April, weitere vier von September bis Dezember. Hinzu kommen jährlich zwei überaus beliebte Vormittagsveranstaltungen in der Kulturscheune Salzgitter-Lebenstedt, sie wenden sich an Schulen und Kindergärten. „Ich hatte mal eine Anfrage von einer Schule in der Post. Sie wollten mit sämtlichen Schülern zum Weihnachtsmärchen kommen. Ihnen gefiel, ganz offensichtlich, die unkonventionelle und witzige Art der Schauspieler“, lacht Antje Fischer.
So ist am Donnerstag, 12. März, um 10.30 Uhr das Kindertheaterstück „1 vor dem Anderen“ von Niels Klaunick zu sehen. Mit komödiantischer Leichtigkeit erzählen und feiern die Künstler in der Kulturscheune den ersten Satz des Artikel Eins des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Beschwingt und gut gelaunt trete ich den Rückweg an, sage „Ciao“ zu Antje Fischer. Zuhause finde ich in meiner Tasche neben 17 Programmen – nicht gelogen! – für „Kein Sonntag wie jeder Andere“ das umfangreiche Programm der Kunst- und Kreativschule der Stadt Salzgitter. Es wendet sich ebenfalls an Kinder und Jugendliche. Auch die Musikschule der Stadt Salzgitter hält ein buntes musikpädagogisches Programm speziell für kleine Kinder bereit. Lesungen für Kinder und eine eigene Abteilung für Kinder im Städtischen Museum Schloss Salder runden das reiche Angebot für Familien ab.