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Vier Fans von Eintracht Braunschweig in den verschneiten Bergen. Malte Schumacher

Stadionfunk Eintracht Braunschweig
Weihnachtsfluch und Kölner Keller-Segen

Am Sonntag war der 1. FC Kaiserslautern zu Gast im Eintracht-Stadion. Aufbruchstimmung und Sonnenschein gegen traditionellen Weihnachtsfluch. Und am Ende sorgten jene für die Entscheidung, die gar nicht auf dem Rasen standen. Malte Schumacher und Kay Rohn berichten.

Malte Schumacher:

Ein zwanzig Jahre alter Weihnachts-Fluch

Zu Beginn etwas Statistik: Sport-Redakteur Tobias Feuerhahn hat sich in der Braunschweiger Zeitung am Freitag einem heiklen Thema gewidmet. Zitat: „Zum Abschluss der Hinserie konnte Eintracht in 20 Jahren nur einmal zu Hause gewinnen.“. Er hat dafür sowohl Heim- als auch Auswärtsspiele ausgewertet, und er liefert damit Fakten für etwas, was Eintracht-Fans schon immer wussten: „Im letzten Spiel vor Weihnachten reißen wir traditionell gar nichts“. Für viele Fans existiert längst ein regelrechter „Eintracht-Weihnachts-Fluch“….
 

Mikas Tipp: 2:1

Mit diesen Gedanken im Kopf schwinge ich mich auf’s Fahrrad – wann bin ich zum letzten Spiel im Jahr eigentlich geradelt, und nicht frostbedingt mit der Straßenbahn gefahren? Egal, heute ist es fast frühlingshaft. Meine erste Station ist die „Wahre Liebe“, Presseclub-Kollege Ralf Schmidt sitzt dort in der Sonne mit anderen Fans – dabei ist auch sein Sohn Mika. Mika erzählt, dass er nie gegen Eintracht tippt, auch nicht, wenn sie gegen die Bayern spielen. Okay – Mika, was tippst Du heute? „2:1 für uns“ – Dein Wort in Gottes Ohr, antworte ich ihm.

Eintracht Braunschweig-Fans vor der Wahren Liebe. Malte Schumacher
Das ist wahre Liebe: Mika tippt immer für Eintracht.

„Wenn ihr eine Ecke bekommt, haben wir Angst“

An einem Stehtisch laufe ich dann in drei Rote rein, Lauterer Auswärts-Fans. Da ich gerade ein Buch lese, dass in Kaiserslautern spielt (Christian Baron: „Schön ist die Nacht“) kann ich ihr „Pälzisch“ einigermaßen verstehen. Sie sind unsicher, ob heute was geht: ihr bester Stürmer (Ache) hat lange nicht gespielt, dazu fünf Liga-Niederlagen am Stück, der Trainerwechsel hat also bei ihnen noch nicht gefruchtet. Auf ihre Frage, wie es bei uns aussieht, lobe ich den neuen Trainer, sage aber auch: „Wenn Ihr einen Freistoß oder eine Ecke bekommt, haben wir in der Kurve Angst…“.

Fans aus Kaiserslautern und von Eintracht Braunschweig an einer Theke. Malte Schumacher
Blau, gelb und rot: Vor dem Spiel haben beide Vereine und beide Fanlager dringend ein Erfolgserlebnis nötig.

Beruflich auf den Weltmeeren, heute im Stadion

In der Südkurve am FanRat-Wagen treffe ich Bronco mal wieder, der eigentlich seit Jahren beruflich und fern vom Stadion auf den Weltmeeren rumschippert. „Was machst Du denn hier?“ frage ich – „Ich bin extra angereist um den Weihnachts-Fluch zu brechen!“ antwortet er siegesgewiss. Wow! Fluch-gläubig wie auch ich bin, haben mir schon einige meiner Gesprächspartner heute mächtig gewaltig Hoffnung eingepflanzt. Auch der Kutten-Träger vor mir in der Einlass-Schlange lässt mich an gute, alte, erfolgreiche Eintracht-Zeiten denken – geht heute was?

Die Sonne stimuliert die Zuversicht

Um 12.30 Uhr bin ich mit Susanne und Martin verabredet, für ein kurzes Video-Interview zu Spiel- und Saison-Prognose. Susanne ist Blogger-Kollegin bei der Allianz für die Region und Ihr Mann Martin ist Neu-Rentner. Die ganze Familie (zwei Söhne gehören noch dazu) ist Eintracht-infiziert. Ich soll die beiden treffen an der „Hall of Fans“ – oder waren wir verabredet an der „Wall of Fans“? Na ja, die beiden Monumente sind ja nicht weit auseinander – wir wählen dann als Video-Hintergrund die „Wall of Fans“. Auch Susanne und Martin sind sehr zuversichtlich gestimmt – ob das am Sonnenschein liegt?

Susanne und Martin Jasper mit einer Saison- und Spielprognose

Bewegung im Schnee

Gegenüber von der „Wall of Fans“ treffe ich noch auf vier ebenfalls sehr hoffnungsvolle Fan-Mädels, und langsam frage ich mich, ob irgendwer was ins Trinkwasser gemischt hat in der Region Braunschweig… Wobei, das reicht gar nicht: Der halbe Fanclub „Bewegung 18. Mai“ ist seit ein paar Tagen im Ski-Urlaub, und auf dem Bild, das gerade aus Gerlos/Tirol bei mir eintrudelt, sehen die auch alle so strahlend-siegesgewiss aus, dass ich mir jetzt mal ein Bier holen gehe.

Der kleine Carl hat heute Premiere

Oben im Block 6 ist noch ausreichend Platz – logisch, ein Prost geht nach Tirol. Dafür ist Philipp nach langer Pause mal wieder da – mit einem Premieren-Gast, seinem Sohn Carl. Und die Aufstellung? Sehr erwartbar. Kaufmann gesperrt, Tony immer noch verletzt – vorne also Shooting Star Rayan Philippe (eine Bude, ein Assist in Wiesbaden) und Krüger, hinten die Dreierkette mit Eisen-Ermin in der Mitte sowie Ivanov und Kurucay. Lautern wie erwartet ohne Monster-Stürmer Ache, aber mit dem immer gefährlichen Boyd vorne drin.
 

Stimmungs-Streik gegen DFL-Investoren

12 Minuten schweigen beide Fan-Lager – so wird’s uns vom Vorsänger vermittelt, und so wird es von allen im Stadion auch eingehalten. Hintergrund: Der kürzlich beschlossene Investoren-Einstieg bei der DFL. Dazu die Süddeutsche Zeitung heute: „Dass dieses Geschäft die Liga viel Geld kosten wird und im Grunde ein schlechtes Geschäft ist, steht fest…“. Ob das Fan-Schweigen was macht mit den Spielern? Egal – Lautern legt mit sehr hohem Pressing los, das erfordert bei unseren Jungs sofort allerhöchste Konzentration.
 

Diese Standard-Schwäche…

Es fällt schwer, nicht anzufeuern, um so erleichterter singen wir danach los. Lautern bekommt kurz darauf einen Freistoß, der Ball fliegt in unserem 16er – und liegt im Tor von Hoffmann. Diese Standard-Schwäche ist unglaublich. Das kriegt auch Daniel Scherning so schnell nicht wegtrainiert… Mist, kalte Dusche nach einer Viertelstunde. Eigentor Robin Krauße, meldet die Kicker-App – noch bitterer. Eintracht aber spielt weiter gut mit, Frust ist nicht zu spüren. Philippe läuft alleine auf den Lauterer Torwart zu – vergeben, wir raufen uns die Haare. 10 Minuten später schickt Krüger ihn wieder alleine los – und er macht den Ausgleich. Erleichterung, abklatschen!
 

Die Jungs glauben an sich

Lautern bleibt sehr giftig und hoch pressend – unsere Jungs aber entwickeln langsam Sicherheit. Halbzeit-Pause, 1:1. Sollten wir wechseln? Ich glaube: Nein. Und fühle mich bestätigt, als es wieder losgeht: Wir machen Power und Druck. Gomez hat nach zwei Minuten eine ganz dicke Chance – Lauterns Torwart hält großartig. Unser Passspiel ist jetzt besser, sogar Ball-Stafetten kommen zustande – von Lautern ist nicht mehr viel zu sehen. Wow – was hat der neue Trainer den Jungs eingeimpft in der Kabine? Den Glauben an sich selbst, denke ich.
 

Volle Pulle in die lange Ecke

Und dann ballert Gomez nach einer Stunde einfach einen rein von halblinks aus 10,11 Metern. Lauterns Keeper spekuliert wohl auf die kurze Ecke – Gomez aber prügelt das Ding volle Pulle in die lange Ecke. 2:1, Ekstase! Auch unser Trainer Scherning geht steil an der Seitenlinie. Spiel gedreht – aber noch 30 Minuten zu gehen. Lautern wechselt Ache ein – Achtung! Insgesamt vier Neue bringen die Pfälzer in den folgenden 10 Minuten – auch die wollen es also wissen. Auch Scherning wechselt ab der 80. Minute – für meinen Geschmack macht er zu viele Wechsel, das kann Unsicherheit verursachen.
 

Der späte Ausgleich – und der VAR

Lautern drückt nochmal, im Eintracht-Strafraum brennt’s öfter – und in der 94. Minute liegt der Ball bei uns im Tor. Die Roten Teufel gehen steil – ich stehe fassungslos neben Volker und murmle: „Das war klar, dieser scheiß Weihnachts-Fluch…“. Volker aber starrt rüber auf die Anzeigen-Tafel in der Nordkurve: „Warte mal ab, der VAR prüft noch“ – ja aber was prüft der denn? Dann die Entscheidung: Monster-Stürmer Ache kam wohl aus dem Abseits vor seinem Torschuss – zählt nicht, es bleibt beim 2:1.

Feiernde Fans im Stadion von Eintracht Braunschweig. Malte Schumacher
Endlich ist der Weihnachts-Fluch gebrochen! Wir Fans feiern, die Sonne scheint - bessere Spieltage kann es kaum geben.

Carl und Tony

Mein Gott, bin ich erleichtert… Dann endlich der Schlusspfiff, und wir alle wollen die Mannschaft feiern vor der Südkurve. Tony Ujah ist auch mittendrin dabei, und Philipp und Carl machen unten am Zaun das Foto des Tages mit ihm. Unser Trainer Daniel Scherning hat aktuell übrigens einen Punkte-Schnitt von 1,8 – wenn er den hält, kommen wir am Ende auf 44 Punkte.

Stadion-Neuling Carl (rechts) und Stürmer-Veteran Anthony Ujah. Malte Schumacher
Stadion-Neuling Carl (rechts) und Stürmer-Veteran Anthony Ujah.

Matze „Matthew Twang“ hat das letzte Wort

Die Schluss-Analyse überlasse ich heute aber Matze Schröder, gestern noch als „Matthew Twang“ aktiv am Merchandising-Stand bei der 25. Western-Weihnacht unser beider Lieblings-Band The TWANG. Auch Matze ist hoffnungsvoll – und ich bin sicher: Wer den Weihnachts-Fluch besiegt, der bleibt auch in der Liga!

Matze´s Analyse

Analyse Kay Rohn:

Kaiserslautern kommt mit Rucksack

Der 1. FC Kaiserslautern kommt mit sechs Niederlagen und einem Unentschieden aus den letzten sieben Partien an die Hamburger Straße. Die große Frage für uns heißt: Was ist die zweite Halbzeit aus dem Spiel gegen Wehen Wiesbaden wert? Kann die Mannschaft diese Leistung bestätigen? Ich frage meinen Freund Thomas beim Einlass nach seiner Einschätzung zum Spiel und er hat dabei einen guten Riecher.

Legendentag

Auf dem Weg mit dem Fahrrad treffe ich in der Guntherstraße vor dem Hockeyhaus Damir Vrancic, der mit einer Gruppe Jugendlicher ins Stadion will. Im Businessbereich dann ein Wiedersehen mit Deniz Dogan, jetzt Trainer in Wolfenbüttel. Und dann sitzt da eine Legende: Kalli Feldkamp, der verständlicherweise immer noch ein Herz für die Lauterer hat. Schön ihn zu sehen.

Thomas tippt auf den Braunschweiger Sieg

Schweigefuchs für 12 Minuten

Beide Fanlager protestieren gegen „Investoren in der DFL“ und schweigen die ersten Minuten. Um mich herum haben viele Verständnis für diesen Protest. (Bild) Ich selbst empfinde das Vorgehen der DFL für nicht nachvollziehbar. Es geht nur um „Ja“ oder „Nein“. Ich würde gern erst wissen, für was Investorengeld gebraucht beziehungsweise genutzt werden soll. Dann erst könnte ich entscheiden. So bleibt ein ungutes Gefühl, bestärkt durch schwer verständliche Entscheidungen im Weltfußball. Das „verkaufte“ deutsche Pokalendspiel in ein fernes Land scheint nicht mehr unwahrscheinlich und wir werden es vielleicht bald erleben.

Ein Plakat von Eintracht Braunschweig-Fans gegen den Investoreneinstieg in die DFL. Kay Rohn
Unverständnis bei den Fans von Eintracht Braunschweig über den Milliarden-Deal der DFL mit einem Investor: Zwölf Minuten war es leise im Stadion.

Den Schwung aus Wiesbaden mitnehmen

Beide Mannschaften treten sehr offensiv an. Außen jeweils die sogenannten Schienenspieler, bei uns Donkor und Rittmüller, beide agieren sehr druckvoll. Nach dem gewonnenen Pokalspiel gegen Nürnberg steht Kaiserslautern jetzt immerhin unter den letzten acht. Ich habe Respekt vor den „roten Teufeln“. Einer ihrer

Besten, Jean Zimmer, fehlt verletzt. Unser Trainer Daniel Scherning beginnt mit Gomez, Helgason, Philippe und Krüger in der Offensive. Scherning gibt den Spielern die Chance, die in Wiesbaden für viel Schwung gesorgt haben.
 

Das Kreuz mit den Ecken

Eine Standardsituation entscheidet die erste Hälfte. Kaiserslautern ist überlegen und geht nach einem scharf getretenen Freistoß in Führung. Was wurde über Braunschweig und Standards schon alles geschrieben. Kein Torerfolg nach Standards. „Trainieren die das eigentlich?“, heißt es oft. Natürlich wird das trainiert, unter jedem Trainer anders. Mir hat Torsten Lieberknecht mal in einer genialen Skizze zwei Eckenvarianten aufgezeichnet: „Full House“ und „Zentrum frei“. Schon damals war ich begeistert über die Perfektion seiner Spielvorbereitung. Wie Daniel Scherning das mit seiner Mannschaft macht, weiß ich nicht. Der Freistoß für Kaiserslautern erreicht auch nicht den eigenen Mann, sondern Krauße berührt den Ball mit dem Kopf und er wird mit Eigentor als Schütze dokumentiert.

Zwei gezeichnete Eckenvarianten des ehemaligen Eintracht Braunschweig-Trainers Torsten Lieberknecht. Kay Rohn
Drei Ecken - ein Tor? Zwei original hingekritzelte Eckenvarianten von Torsten Lieberknecht aus Kays Fundus. Ob es helfen würde, den Zettel dem einen oder anderen Spieler zuzustecken?

Mein Freund Thomas weist mich immer wieder auf die exzellente Ballbeherrschung von Phillipe hin - und dann ist es so weit. Phillipe ist schneller als sein Gegenspieler, läuft frei auf den gegnerischen Torwart zu und verwandelt mit einem Flachschuss zum 1:1 kurz vor der Halbzeit.
 

Spielerisch und kämpferisch zum Sieg

Die zweite Hälfte gehört der Eintracht. Der Ball läuft über mehrere Stationen immer wieder auf das Tor der Lauterer, alle sind in Bewegung und es werden Chancen kreiert. Neben Phillipe ist Gomez heute für mich der zweite beste Spieler im Team der Braunschweiger. Er übernimmt immer wieder Verantwortung, bietet sich an und macht ein großes Spiel. In der 62. Minute dringt er auf der linken Seite in den Strafraum ein, gibt auch nicht mehr ab, sondern schließt mit einem gezielten Linksschuss zum 2:1 ab.

Spiel gedreht, alles gut. Naja, nicht alles, die letzten Minuten sind noch einmal spannend und Kaiserslautern wirft alles nach vorn. Flanke in den Strafraum, Gewühl und plötzlich ist der Ball im Netz. Betretene Gesichter. Aber das Tor wird überprüft und der Schiedsrichter entscheidet auf Abseits. Glück gehabt.

Eine immer wieder wichtige Message auf der Anzeigetafel: Diskriminierung ist kein Fangesang. Kay Rohn
Eine immer wieder wichtige Message auf der Anzeigetafel: Diskriminierung ist kein Fangesang.

„Ohne zwei“

Das Team in diesem Zustand macht Hoffnung, sogar auf noch mehr. Mit Fabio Kaufmann und Anthony Ujah fehlten heute zwei Leistungsträger und Torschützen. Dann sehe ich weiteres Potenzial in Sidi Sané und Youssef Amyn. Beide sind noch sehr jung, haben aber große Entwicklungsmöglichkeiten. Holstein Kiel kann sich auf ein spannendes Jahresauftaktspiel im Januar freuen - das ist für mich noch längst nicht verloren.

FCK-Fans an der „Pufferbude“

Bei schönem Wetter drei Punkte und eine tolle Mannschaftsleistung. Thomas hatte Recht mit Phillipe, der zum Spieler des Spiels gekrönt wird. Wir gehen nach dem Spiel auf den Weihnachtsmarkt. In der „Pufferbude“ essen wir klassisch Kartoffelpuffer, neben uns am Stehtisch sechs Jugendliche mit Fanschal von Kaiserslautern. Ich spreche sie an und frage, warum ihre Mannschaft in der zweiten Hälfte so abgebaut hat. Sie sind sehr unzufrieden mit dem neuen Trainer und hätten lieber mit Dirk Schuster weitergemacht. Die Negativserie hält an und die Belastung durch den Pokal tut sein Übriges. Dann müssen sie schnell los, um ihren Zug zu bekommen. Und ich denke, vielleicht ist es ja ganz gut, dass Dimitrios Grammozis nicht nach Braunschweig gekommen ist.