Öffentlicher Betrieb Landwirtschaft Melina Ruhr

Saftige Angelegenheit
Das Mostwerk auf vier Rädern

Herbstzeit ist Apfelzeit. Für Sascha Beil aus Braunschweig beginnt damit eine ganz besondere Saison. Zum ersten Mal ist der gelernte Medizintechniker mit seinem rollenden Mostwerk unterwegs. Most Wanted heißt das Projekt. Ich treffe Sascha und seine mobile Mostanlage bei der Kartoffelernte am Gut Steinhof. Hier verkauft er in diesem Jahr zum ersten Mal seinen selbstgepressten Saft. Einige Familien, die ihre eigenen Kartoffeln ernten, sind in der Ferne auf dem Feld zu sehen. „Gerade ist es ruhig“, sagt Sascha, eine gute Zeit, ihn mit meinen Fragen zu löchern.

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Seinen Ursprung fand Most Wanted im Kleingartenverein Mückenburg im östlichen Ringgebiet Braunschweigs. Dort hat Sascha mit seiner Familie einen Garten mit drei großen Apfelbäumen. „Im letzten Jahr ist die Ernte besonders gut ausgefallen“, erinnert sich der zweifache Familienvater zurück, „wir wussten gar nicht, wohin mit den ganzen Äpfeln.“ Den Nachbarn sei es genauso gegangen. Also baute Sascha eine Wasserpresse – das ist eine Mostanlage in Kleinformat. Mit Hilfe von Wasserdruck lässt sich dabei der Saft aus dem Obst pressen. Dann wird die vom Hexler erzeugte Maische ausgedrückt und per Hand in 100 Liter Töpfe zum pasteurisieren umgefüllt.

Entsaftungsfieber

Insgesamt 1000 Liter konnte Sascha so aus den eigenen und den Äpfeln seines Nachbarn gewinnen, und stieß damit auch bei weiteren Nachbarn auf Resonanz. „Der Andrang war riesig“, resümiert Sascha. Immer mehr Gartenbesitzer aus dem Schrebergartenverein wollten ihr Obst von Sascha entsaften lassen. Aufgrund des leckeren Geschmacks und der positiven Rückmeldungen packte den 38-jährigen das Entsaftungsfieber: Er plante für 2019 eine größere Anlage zu bauen und stieß im Internet auf eine gebrauchte mobile Mostanlage. Diese erwarb er kurzerhand.

Automatisierte Abläufe

„Theoretisch können wir damit bis zu 400 Liter Saft die Stunde gewinnen“, erklärt Sascha die Kleintransporter große Anlage. „Das ist aber abhängig von der Obstsorte und vom Skill-Level der Bestücker.“ Denn es ist eine Herausforderung, während des Einfüllens gleichzeitig die weiteren Verarbeitungsschritte im Auge zu behalten. Die Abläufe sind dabei automatisiert: Das Obst wird zuerst mit Wasser gewaschen und die Schale abgerieben. Im nächsten Schritt wird es ausgepresst. Der Saft wird anschließend auf 80 Grad erhitzt. Dadurch ist er theoretisch ein halbes Jahr lang haltbar, laut Fachliteratur kann der Saft sogar bis zu einem Jahr halten, sagt Sascha und schmunzelt: „Aber so lange hält er ja meistens nicht. Es ist wirklich kein Vergleich zu industriell gepresstem Saft.“ Abgefüllt wird der fertige Saft dann wieder per Hand in Schlauchbeutelkartons. Diese fassen fünf Liter.

Das Herz von Most Wanted

Sascha ist das Herz von Most Wanted. „Alleine würde ich das an einem solchen Tag aber nicht hinbekommen“, bemerkt er. Heute hat er deshalb einige Freunde dabei, die ihn im Verkauf unterstützen. Nach und nach kommen die Familien von der Kartoffelernte zurück und eine kleine Schlange hat sich vor dem Stand gebildet – alle wollen den ersten Saft der Saison erwerben. Die Äpfel dafür stammen heute vom Großhändler, dabei ist das Konzept hinter Most Wanted eigentlich ein anderes, denn die Hauptzielgruppe sind Kleingartenvereine. Dort vereinbart Sascha Termine, an denen die Gärtner ihren Saft auspressen lassen können. Ab einer Menge von einer Tonne Obst (das entspricht etwa 20 Schubkarren) kommt Sascha mit seiner mobilen Anlage vorbei und presst den Saft gemeinsam mit seinen Kunden vor Ort aus. Ab einer Schubkarre holt Sascha das Obst aber auch bei Privatleuten ab und bringt den Saft fertig gepresst zurück. Die Kosten dafür liegen bei 8,50 Euro für fünf Liter. Aus einem Kilogramm Obst ließen sich mindestens 0,5 Liter Saft pressen, je nach Art des Obstes auch 0,7 Liter, erklärt Sascha. Quitten beispielsweise seien durch ihre Härte etwas weniger ertragreich. Wichtig ist, dass es sich um Kernobst handelt, unter das beispielsweise Äpfel, Birnen, Karotten oder auch Quitten fallen. Steinobst wie Kirschen oder Pflaumen kann mit der Anlange nicht verarbeitet werden. 
 

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Saft von der eigenen Ernte

Dass der Saft von der eigenen Ernte stammt, sei etwas ganz Besonderes, sagt Sascha. „Die Leute bekommen ihren Saft aus ihrem Obst. Bei Lohnmostereien ist es oft so, dass die Kunden ihre Äpfel hinbringen, aber dann einen Gutschein dafür bekommen.“ Dort bekämen Kunden zwar auch frischen Saft, allerdings stamme dieser von diversen Obsternten. Oft würden auch unterschiedliche Sorten zusammengeworfen. 

„In diesem Jahr werden wir wahrscheinlich nicht so viel Saft pressen“, bedauert Sascha, „die Ernte fällt schlechter aus als im letzten Jahr.“ Grund zur Sorge bestehe allerdings nicht, die geringen Erträge seien einem natürlichen Prozess geschuldet, der sogenannten Alternanz – die jährlich wechselnde Ertragsschwankung im Obstanbau. Aufgrund der guten Ernte des letzten Herbstes hatten die Apfelbäume im Frühjahr nicht genügend Kraft um Blüten zu bilden. Weitere Faktoren können aber auch Hagelschäden oder Hitze sein. 
 

Geschmacksprobe ausdrücklich erlaubt

Pläne fürs nächste Jahr hat Sascha reichlich, eine eigene Annahmestelle für Obst ist beispielsweise im Gespräch, noch ist allerdings nichts spruchreif. „Auf jeden Fall ist für nächstes Jahr geplant, dass wir den Saft in Flaschen abfüllen.“ Das bedeutet allerdings noch mal mehr Aufwand bei der Vorbereitung, die Flaschen müssen dann vorab gereinigt und pasteurisiert werden. 

Am Ende unseres Gesprächs darf ich den Apfelsaft probieren, darauf habe ich schon die ganze Zeit gewartet. Ganz frisch zapft Sascha den trüben Saft für mich ab. Und seine Prophezeiung bewahrheitet sich: Diesen fruchtigen Geschmack kann man nicht mit Worten beschreiben, man muss ihn selbst probieren.