Zwei Arbeiter am Zerkleinerer betrachten schwarzes Pulver unter einer Presse. TU Clausthal

Ein regionaler Kreislauf:
Von seltenen Erden bis zum Batterie-Recycling

Die Transformation zur E-Mobilität schont fossile Rohstoffe und damit auch das Klima. Damit die Motoren trotzdem laufen, kommen vor allem Batterien zum Einsatz. Unsere Region spielt bei dieser Zukunftstechnologie eine wichtige Rolle: Von strategischen Rohstoffvorkommen wie Kobalt über die Batterieproduktion und Sicherheitsüberprüfung bis zum Recycling von Lithium-Ionen-Batterien bildet unsere Region den gesamten Lebenszyklus ab.

Stand: 29.6.2023

Der Bergbau im Harz war über Jahrhunderte das Rückgrat unserer Region. Während zu früheren Zeiten unter anderem Metalle wie Blei, Zink, Kupfer und Silber die wichtigsten Schätze waren, die aus dem Mittelgebirge gewonnen wurden, sind es heute eine Reihe anderer strategisch wichtiger Rohstoffe, die aus Absetzbecken und Teichen geborgen werden, die aus der Aufbereitung von Erzen entstanden.

Seltene Metalle schlummern im Schlamm

Im Schlamm der Seen am Rammelsberg stöberten Rohstoff-Experten aus der Region unter anderem mehr als tausend Tonnen Kobalt auf – ein für die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien unverzichtbares Metall.

Im „Recyclingcluster Wirtschaftsstrategischer Metalle“, dem REWIMET e.V. aus Clausthal-Zellerfeld, haben sich Industrieunternehmen, wissenschaftliche Institutionen und Gebietskörperschaften aus der Region zusammengeschlossen, um wichtige Rohstoffe wie Kobalt durch Recycling verfügbar zu machen und gleichzeitig die Umweltbelastung zu vermindern.

Im Kern geht es darum, Forschungsergebnisse durch Technologietransfer in Innovationen und in industrielle Praxis umzusetzen.
„Dieser kontinuierliche Transfer hat sich im Laufe der Jahre immer weiterentwickelt“, sagt Professor Daniel Goldmann, Leiter des Instituts für  Rohstoffaufbereitung und Recycling der TU Clausthal.
Er schränkt aber auch ein: „Bergbauliche Aktivitäten von der Erkundung bis zur Erschließung und dem operativen Betrieb dauern in der Regel eher Jahrzehnte. Die Herausforderungen und Chancen, die die Bergeteiche bieten, sind sehr komplex.“

Ein Mann im dunklem Anzug. TU Clausthal
Professor Daniel Goldmann von der TU Clausthal ist Institutsleiter für Rohstoffaufbereitung und ein wichtiger Kopf im Harzer Recycling-Cluster.

„Die Herausforderungen und Chancen, die die Bergeteiche bieten, sind sehr komplex.“

Prof. Daniel Goldmann

Bei optimalem Ablauf, schätzt der Experte, wird es noch etwa bis 2024 dauern, das Projekt einleiten zu können – und bis 2030, bis mit dem Abbau- und Aufbereitungsbetrieb begonnen werden könnte.
Im Bergbau, das wusste man schon immer, muss man eben einen langen Atem haben.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies hat im Februar 2023 in Goslar einen Förderbescheid für den Aufbau eines Sekundärrohstoffzentrums (SRZ) der Harzer Recyclingwirtschaft in Höhe von 4,2 Millionen Euro überreicht. Wissenschaftlich wird das SRZ von Clausthaler Forschern begleitet. Das Projekt zur Rohstoffrückgewinnung und -Aufbereitung wird von regionalen Spezialunternehmen und dem REWIMET getragen. 
So kann die rund 1000-jährige Tradition der Metallgewinnung aus dem Harz also fortgesetzt werden – mit den technischen Mitteln der 2020er-Jahre. .

Rekordversuch bei VW
Wieviel Muskelkraft braucht ein ID.3?

Batterieherstellung und Sicherheit – Gigafabriken und Schock-Tests  

Wenn seltene Metalle wie Kobalt zum Einsatz kommen, dann zunehmend in Akku-Batterien für E-Autos, für diese Zwecke sind sie kaum ersetzbar. Der größte Entwickler und Anwender von Batteriesystemen in unserer Region und in Deutschland insgesamt ist die Volkswagen AG.

Im Zuge der Umstellung auf die E-Mobilität erhöht das Volkswagen Group Components Werk in Braunschweig die jährliche Produktion auf eine halbe Million Batterien für alle Fahrzeuge aus dem Konzern, die den Modularen E-Antriebs-Baukasten (MEB) nutzen.

Das Volkswagen Group Components Werk in Braunschweig legt einen verstärkten Fokus auf die Produktion von zukunftsfähigen Komponenten für die Elektromobilität. Im Mittelpunkt steht der Ausbau der Kompetenz als Leitwerk für Batteriesysteme. In der Powerhall 7 wird in den weiteren Ausbau der Batteriekompetenz investiert. Das neue Technologiezentrum soll ab 2024 das Vorserien-Center, die Planung, Entwicklung sowie umfangreiche Test- und Analysekapazitäten zusammenführen. 

„Braunschweig macht mit dem neuen Analysezentrum jetzt den nächsten Schritt auf dem Weg hin zum konzernweiten Kompetenzzentrum für Batteriesysteme. Wir wollen den Standort zu einem Schlüssellieferanten der E-Mobilität machen und ihn damit langfristig zukunftssicher aufstellen“, sagt Thomas Schmall, Vorstand Group Technology und Vorstandsvorsitzender der Volkswagen Group Components.

Eine zentrale Rolle dabei spielt die Batteriezelle, meist auf Lithium-Ionen-Basis. Sie ist das Herzstück des alternativen Antriebs und dessen kleinste Einheit. Die Zelle speichert Energie und gibt sie wieder ab.
Ein Herzstück des regionalen Batterie-Kosmos wiederum ist Salzgitter. Hier tüftelt das Center of Excellence der Volkswagen Group Components an innovativen Konzepten für Batteriezellen und betreiben eine Pilotfertigung. In ganz großem Stil soll in Salzgitter ab 2025 die Einheitszelle für die VW-Massenmodelle produziert werden, in einer sehr großen, einer so genannten Giga-Fabrik. Mit einer Baufläche von rund zwei Millionen Quadratmetern (entspricht rund 280 Fußballfeldern) ist die Gigafabrik Salzgitter eines der größten Bauprojekte in Niedersachsen.

„Vor einem Jahr war hier noch offenes Feld, jetzt stellen wir schon die ersten Hightech-Maschinen auf. Das zeigt, mit welchem Tempo wir unsere Pläne in die Tat umsetzen. Die PowerCo ist auf dem besten Weg zu einem Global Player im Batteriegeschäft und kann für Niedersachsen und Deutschland zu einem neuen, zukunftsfähigen Kraftzentrum werden”, sagt Thomas Schmall. 

Eine Batterie-Grafik. Volkswagen AG
Einmal aufgeschnitten: Die Batterie in ihren Einzelkomponenten.

Erforschung neuer Energiespeichersysteme

Das Fraunhofer-Zentrum für Energiespeicher und Systeme ZESS steht für die Entwicklung von Systemlösungen für Energiespeicher und Wasserstofftechnologien. Zur Umsetzung dieser Ziele erhält das Fraunhofer-Institut ein neues Forschungsgebäude am Forschungsflughafen Braunschweig auf über 3400 Quadratmetern. Mit dem Neubau entsteht nun eine einzigartige Infrastruktur und Forschungsplattform, die für die Entwicklung und Umsetzung von zukünftigen Energiespeichern vom Prototyp bis zur Industrialisierung von Bedeutung ist. Gleichzeitig markiert der Aufbau des ZESS-Forschungsgebäudes einen weiteren wichtigen Meilenstein zum weiteren Ausbau des Batterieforschungsclusters in der Region Braunschweig. Das Fraunhofer ZESS wird sich auf die Entwicklung und Produktion der nächsten Batterie- und Wasserstofftechnologien fokussieren.  

Von der Entwicklung neuer Energiespeichersysteme hängen zahlreiche Wirtschaftszweige und Technologien direkt oder indirekt ab: Elektroautos benötigen leistungsfähige Batterien, stationäre Stromspeicher können elektrische Netze stabilisieren, die sich aus zeitlich schwankenden erneuerbaren Energiequellen wie Photovoltaikanlagen oder Windrädern speisen. 

Hier knallt und zischt es

Wer hat nicht schon davon gehört: Smartphone-Akkus, die in Flammen aufgehen und fast eine Katastrophe auslösen.
Um einen solchen Fall in den E-Modellen von Volkswagen von vorneherein auszuschließen, unterzieht der Konzern seine Batteriesysteme einer Serie von akribischen Sicherheitstests. In Braunschweig testet das Batterieentwicklungszentrum seine Energieträger auf Herz und Nieren. Unter anderem werden Batterien auf mechanische Schocks wie das Auffahren auf Bordsteinkanten und verschiedenen Temperaturen ausgesetzt. 

Ein Testschild leuchtet rot. Volkswagen AG
Ein Testschild leuchtet rot. In Braunschweig werden die Batteriesysteme von Volkswagen auf ihre Sicherheit überprüft.

Während E-Autos eine relativ neue Entwicklung sind, ist das Einsatzgebiet von Batterien fast unerschöpflich: Sie sitzen in Taschenlampen und Fahrrädern, im Kinderspielzeug oder in Laptop-Computern, aber auch in großen stationären Anlagen.
In all diesen Geräten muss die Sicherheit natürlich stets gewahrt werden.

Die Antwort auf diese enorm vielfältige Herausforderung ist der Batterie-Sicherheitscampus Deutschland in Goslar. An dieser bundesweit einmaligen Forschungseinrichtung sind unter anderem die TU Clausthal, das Fraunhofer Heinrich Hertz-Institut, das Energie-Forschungszentrum Niedersachsen und die Allianz für die Region beteiligt.  

Da Lithium, erst einmal in Brand geraten, nur sehr schwer zu löschen sei, bedarf es zuverlässiger und sicherer Lösungen.
Dabei sollen Sensoren helfen, um heraufziehende Gefahren gar nicht erst akut werden zu lassen. Professor Wolfgang Schade und sein Team entwickeln neuartige Konzepte zur Batteriesicherheit und testen diese anschließend vor Ort in so genannten Großöfen.
Eine wichtige und gleichzeitig etwas ungewöhnliche Aufgabe, so der Professor: „Bei uns knallt es auch ab und zu.“

„Unsere Sensorik soll früh erkennen, wenn Batterien in einen kritischen Zustand geraten.“

Professor Wolfgang Schade vom Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut

Irgendwann gibt auch der stärkste Akku den Geist auf, so ist der Lauf der Dinge. Wenn es soweit ist, landet das Produkt aber nicht im Müll, sondern beginnt einen neuen Lebenszyklus – es lebt in anderer Form und unterschiedlichen technischen Komponenten weiter.

Eine Pilotanlage bei Volkswagen in Salzgitter erforscht - basierend auf dem Duesenfeld-Verfahren - seit 2021, wie wertvolle Rohstoffe, etwa Nickel, Kobalt oder Lithium, zurückgewonnen und in neuen Batteriesystemen wiederverwertet werden können – oder aber in Laderobotern und Schnellladesäulen.
Ist dies der Fall, werden nach der Tiefenentladung und Demontage die Einzelteile zu Granulat zerkleinert. Dieses wiederum enthält die wichtigen Stoffe in konzentrierter Form. Ein spannender Vorgang, der hier in 100 Sekunden erklärt wird.

An einem wichtigen End- und gleichzeitig Ausgangspunkt des Kreislaufs steht schließlich wieder Daniel Goldmann. Der TU-Professor betreut mit REWIMET nicht nur die Projekte zur zukünftigen Bergung von seltenen Metallen, sondern auch eine Vielzahl an Aktivitäten, die das Ziel haben, Batterien, Elektronikschrotte und Mineralien zu recyceln. Das Innovationsforum Recyclingregion Harz versammelt dazu Experten und spezialisierte Unternehmen aus der Region, die überregional bedeutende Innovationstreiber sind. 

Goldmanns Kollege Dr. Dirk Schöps, Cluster Manager bei REWIMET, sieht keine Alternative zum Recycling: „Wir sind der Meinung, dass wir uns von der linearen Wirtschaftsweise verabschieden müssen, wenn unsere Industriegesellschaft überleben soll. Zukunftsfähig ist nur die zirkuläre Wertschöpfung oder in neuhochdeutscher Formulierung: Circular Economy."

Die Bedeutung des Harzes als Cluster für Recycling-Technologien könne gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, sagt Goldmann: „Der Harz ist das Silicon Valley des Recyclings“, sagt der Wissenschaftler. Und er weiß genau, welchen Vergleich er damit anstellt.