Frau Fiechtl, was bedeutet Genuss für Sie?
Genuss bedeutet für mich, wenn ich zum Beispiel etwas esse: Meine volle Aufmerksamkeit darauf zu richten. Und das, was ich tue, einfach mit allen Sinnen zu erkunden. Wenn ich zum Beispiel eine Situation mit Freunden genieße, dann bedeutet das für mich, mit meinen Gedanken und meiner Aufmerksamkeit ganz im Hier und Jetzt zu sein und nicht schon beim nächsten To-Do.
Kann auch ein „schneller Genuss“ nachhaltig für unser Wohlbefinden wirken?
Da ist ein Widerspruch. Wenn ich etwas schnell tue, kann ich es eigentlich kaum genießen. Denn Genuss würde erfordern, dass alle Sinne und die Aufmerksamkeit mit eingebunden sind. Wenn ich bewusst genieße, dann ist es natürlich nachhaltiger, weil es bewusst im Gehirn, im Gedächtnis verarbeitet wird.
Würden Sie sagen, dass Genuss gerade in dieser Zeit noch einmal wichtiger ist oder eine größere Rolle für uns spielen kann?
Ich denke, das kann man mit Ja beantworten. Denn wenn irgendetwas Schlimmes oder Negatives passiert, wie jetzt die Corona-Pandemie, dann tendieren wir dazu, dass wir mit der Aufmerksamkeit dorthin gehen und uns damit eher für weitere negative Dinge öffnen und sich dann ein regelrechtes negatives Mindset entwickelt.
Und was können wir dagegen tun?
In einer Krisenzeit wie dieser sollte man sich auch ganz bewusst die Frage stellen: „Was ist gut?“ Ein Punkt ist zum Beispiel, dass viele von uns nun mehr Zeit als ursprünglich geplant oder gar gewollt zur Verfügung haben. Nutzen wir sie!
Wie können wir dieses Plus an Zeit gut mit Genuss verbinden?
Gerade in sonst sehr schnelllebigen Zeiten, wo wir vielleicht weniger kochen, uns weniger mit Lebensmitteln, mit Produkten, mit dem Essprozess beschäftigen, ist der Genuss einfach total wichtig, glaube ich. Wir sollten wieder schauen: Was esse ich da überhaupt und wie esse ich das - um wieder einen Bezug zwischen uns und den Lebensmitteln herzustellen.