Dönermesser der Marke Tandir aus Braunschweig schneiden am Fleischspieß gut ab. Und das auf der ganzen Welt. Zu Besuch bei Cengiz Ümit, dessen Idee zu dem Exportschlager auch mit verbrannten Handrücken und Unterarmschmerzen zu tun hat.
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- Das Dönermesser - Eine Weltidee aus Braunschweig
Das Dönermesser
- Eine Weltidee aus Braunschweig
Da muss ich mich wohl verhauen haben beim Erinnern der Adresse. Hat mir mein Gedächtnis wohl ein Schnippchen geschlagen. Na, jedenfalls stehe ich hier in Rautheim und nirgends ein Firmenschild mit der Aufschrift Tandir-Messer. Mal nebenan fragen. „Die sind schon seit einem Jahr nicht mehr da, die sind ein paar Straßen weitergezogen.“
Absatzmarkt: Die ganze Welt
Ein paar Straßen weiter. Und ein paar Nummern größer und imposanter, denke ich, als ich auf den Firmenparkplatz fahre. Cengiz Ümit begrüßt mich herzlich in der luftigen Eingangshalle. In dem cleanen Ambiente mit Sichtbetonoptik und viel Glas für Sonnenfluten und Wolkenspiele an den Decken könnte man sich auch gut einen CoWorking Space oder ein angesagtes Architekturbüro für ambitionierte Industriekomplexe vorstellen. Fehlt nur noch der in diesen Branchen unerlässliche Kickertisch in einer Ecke. Aber Ümits Metier ist ein anderes: Dönermesser. Elektrisch betrieben. Marke Tandir. Hergestellt in Braunschweig. Absatzmarkt: die ganze Welt.
Das Büro vom Chef nimmt sich im Vergleich zum Entree bescheiden aus. Aber er braucht wohl auch nicht mehr als seine drei Smartphones und einen oder zwei Computerbildschirme. Ein Handy surrt, „entschuldige, nur ganz kurz“. Ümit spricht mit seiner freundlich-sanften Stimme ein paar Sätze auf Türkisch, klickert parallel etwas in die Tastatur. „In 60 Sekunden zwei Maschinen verkauft“, kommentiert Ümit, der vier Sprachen spricht, das Verkaufsgespräch, das eigentlich keines war, sondern eher eine zielgenaue Bestellung ohne jeglichen verkaufsstrategischen Firlefanz. Das merkte man auch, ohne des Türkischen mächtig zu sein. Im Türkischen komme man im Übrigen schneller auf den Punkt, weil die Sprache sich zum Beispiel, anders als das Deutsche, die Artikel spare. Aber daran wird es wohl nicht liegen: die Kunden müssen nicht erst vom Kauf eines Tandir-Dönermessers überzeugt werden. Sie wissen um die Qualität des Geräts.
Ein Innenstadt-Imbiss in den 90er Jahren
„Wir sind vom Imbiss zum Messer gekommen“, bringt Ümit, der das Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder führt, die Erfolgsgeschichte der Ümit GmbH auf den Punkt. Mitte der 90er Jahre bestellte die Familie für den damals in der Braunschweiger Innenstadt betriebenen Imbiss ein Dönermesser aus Frankreich. Es war bleischwer, unhandlich, voller Macken – kurz gesagt eine Katastrophe. Und so machte sich Ümits Vater Muzaffer daran, ein Gerät für den Eigenbedarf zu entwickeln. Die ersten Prototypen waren zu klobig, die Handhabung noch zu umständlich. Aber weil die Familie ja ein gutes Testgebiet, nämlich den eigenen Imbiss hatte, konnte das Gerät schnell optimiert werden.
Heute sieht das Messer aus wie ein handlicher Akkuschrauber mit Schutzschild. Eine rotierende Scheibe senst das Fleisch je nach gewünschter Stärke immer gleich dick oder dünn vom Spieß ab. Der Grieche mag sein geraspeltes Schweinefleisch etwas dicker, der Türke schätzt Kalb oder Huhn in dünneren Scheiben. Araber servieren es als Schawarma, Juden bieten das klein geschnittene Fleisch als Shoama feil.
Wie auch immer, die Zeiten des heiklen Augenmaßes sind jedenfalls lange vorbei. Mit schweren Säbeln wird nicht mehr hantiert, auch einem zarteren Händchen gelingt mit dem elektrischen Messer spielend der perfekte Schnitt.
20 000 Kunden in der Datenbank
Man trägt wohl nicht zu dick auf, wenn man das Tandirmesser als eine Weltidee bezeichnet. 20 000 Kunden hat die Firma in der Datenbank, 5000 davon sind aktiv. Hauptabsatzmarkt sind „etwa 60 döneressende Länder“, sagt Ümit. Länder, in denen viele Araber, Türken und Griechen leben, die das gut gewürzte, fein vom Spieß gesenste Fleisch schätzen. Australien sei zudem ein großer Markt, aber auch in Mexiko schätze man die Messer, mit denen sich hervorragend Fleisch für Burritos schneiden lasse.
Kann also gut sein, dass man im Urlaub auf Mallorca Jap auf einen Döner hat oder sich in Jordanien auf eine mit Fleisch gefüllte Teigtasche freut – und die Gastronomen ein Dönermesser der Marke Tandir aus Braunschweig surren lassen.
Was in einem kleinen Ladengeschäft gegenüber dem Imbiss in Braunschweig als Tüftelei im Hinterzimmer für den Eigenbedarf begann, ist mittlerweile auf einen schmucken Neubau von 2100 Quadratmetern angewachsen. Im Unternehmen arbeiten immer noch fünf Familienmitglieder im kaufmännischen Bereich, fünf Angestellte arbeiten in der Endmontage. Im türkischen Aydin werden in firmeneigener Produktionsstätte Plastik- und Metallteile gefertigt, in Paris gibt es noch eine Verkaufs- und Servicestelle.
Stabiler Produktpreis seit Jahrzehnten
„Wir sind Marktführer“, sagt Ümit. Und es klingt nicht nach stolz geschwellter Brust oder überheblich, sondern eher wie eine faktenbasierte Tatsache. Konkurrenten am Markt hätten schon oft versucht, dass Tandirmesser zu kopieren. Aber es sei unerreicht, so Ümit, was wohl auch daran liege, dass die Konkurrenten nicht in Qualität investieren wollen, sondern „nur dem schnellen Geld hinterher jagen“. Geräte aus China sind nach einem halben Jahr hin. „Schrott. Unsere sind langlebig, kommen auf bis zu 10 Jahre Einsatz.“
Ümit setzt bei den Motoren seit jeher auf Schweizer Qualitätsarbeit: die funktionieren wie die viel gerühmten Schweizer Uhrwerke. „Das ist der beste Motor der Welt“, ist Ümit überzeugt. Er belässt es nicht bei selbstbewussten Sätzen, sondern erklärt, warum dieser Motor ein Champion ist: ein weltweit patentierter eisenloser Rotor bringt es auf bis zu 8000 Umdrehungen im Motorengehäuse. „Das gibt unheimlich Kraft“, so Ümit. Die Chinesen sind nicht in der Lage, das nachzubauen, sie sind bisher am hochpräzisen Fertigungsverfahren gescheitert. 1996 kostete ein Messer 1060 Mark (ca. 530 Euro), heute 576 Euro. „Wir sind seit Jahren stabil im Preis, vor 13 Jahren kostete ein Messer 550 Euro.“
Muskeln, wo keine hingehören…
Wir gucken mal nach Haakon, einem freundlichen Dackel, der sich häuslich im geräumigen Auto des vierfachen Familienvaters eingerichtet hat. Er hat seinen eigenen Kopf, horcht aber auch ohne Leine aufs Wort. Das Gebäude besteht zum hauptsächlichen Teil aus Lagerkapazität, die der 54-Jährige gerade in der Coronazeit mit all ihren Engpässen und Lieferkettendesastern zu schätzen weiß. Der Vertrieb von professionellen Gastrogeräten ist „eher ein Hobby“.
Der Verkaufshit ist und bleibt das Tandirmesser. Vielleicht ist es am Markt auch so unangefochten, weil es die Arbeitsabläufe im Imbiss optimiert und die Arbeit auch im Wortsinn erleichtert. Ümit weiß auch heute noch, wovon er spricht. Von der Säbelei mit herkömmlichen Messern bauten sich Muskeln am rechten Unterarm, unterhalb des Handgelenks auf, die dort nicht hingehörten. Und schmerzten. Die sind mittlerweile weg, aber die Erinnerung ist geblieben.
Gefeilt wird natürlich auch am besten Produkt immer wieder und immer noch: der Sanftanlauf kann optimiert werden, weil dies den Motor schont. Da gibt es immer noch was zu testen, zu probieren. „Wir haben schon Prototypen im Schrank. Echte Erlkönige“, lacht er.
Passé: Alufolie und verbrannte Handrücken
Und mal ausspannen? „Zwei Wochen im Jahr Urlaub, ansonsten Arbeit. Aber das ist okay. Die Imbisszeit war schlimmer“, sagt er und zollt damit noch heute denen Respekt, die dort ihr Geld verdienen.
Das Messer schneidet nicht nur leichthändig, es wirkt wie ein Schutzbild gegen die enorme Hitze, die der Grill abstrahlt. Mit dem Säbel in der Hand verbrannten sich die Imbissbetreiber oft die Handrücken, mussten sie deshalb mit Alufolie umwickeln, was einen unangenehmen Schmoreffekt nach sich zog. Alles nicht sehr arbeitnehmerfreundlich. Ganz anders ist das Arbeiten mit der Marke Tandir.
Bei all dem messerscharfen Recherchieren rund ums Messer hab` ich echt Hunger bekommen. Essen Sie eigentlich auch gern mal einen Döner, Herr Ümit? „Klar!“ Aber, fügt er hinzu, nicht in jedem Imbiss.