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Hafen Braunschweig Hafenbetriebsgesellschaft Braunschweig GmbH

Der Hafen Braunschweig
Umschlagplatz für Waren aus aller Welt

Inga Stang erklärt bei einem Besuch von Hamburger Freunden, dass auch Braunschweig eine Hansestadt ist. „Aber eine Hansestadt braucht doch einen Hafen?!“, hieß es direkt – „Haben wir“, war ihre Antwort.

Damit hörte mein Wissen über unseren Anschluss an das Wasserstraßennetz aber auch schon wieder auf. Ein Besuch unseres Braunschweiger Binnenhafens mit Geschäftsführer der Hafenbetriebsgesellschaft Braunschweig mbH Jens Hohls kam mir daher sehr gelegen, um mein Wissen zu vertiefen und mir selber einen Eindruck von Braunschweigs maritimer Seite zu verschaffen.

Als der alte Hafen am Kohlmarkt versandete

Erste Überraschung: Braunschweig ist noch immer eine Hansestadt und zwar als Mitglied der „Neuen Hanse“. Diese hat jedoch wenig mit dem alten Hanseverbund aus dem Mittelalter zu tun, sondern versteht sich als Lebens- und Kulturgemeinschaft mit dem Ziel, Handel und Tourismus zu fördern. Dennoch - ein erster spannender Fakt, mit dem mein Besuch am Hafen beginnt.

Jens Hohls ist seit 1999 bei der Hafenbetriebsgesellschaft Braunschweig mbH tätig und hat sich seitdem viel Wissen rund um die Geschichte des Braunschweiger Gewässerhandels angeeignet. So erfahre ich von ihm, dass der ursprüngliche Hafen dort lag, wo heute Kohlmarkt und Echternstrasse liegen, kaum vorstellbar. Bis in das 16. Jahrhundert wurden hier Waren von der Oker über die Aller und Weser bis zur Nordsee geschifft. Als dieser Weg versandete, sollte es fast vier weitere Jahrhunderte dauern, bis durch den Anschluss Braunschweigs an den neu gebauten Mittellandkanal 1933 die Stadt einen neuen Hafen an der heutigen Stelle  in Veltenhof erhalten sollte.

Hafen Braunschweig Inga Stang
Jens Hohls ist Geschäftsführer der Hafenbetriebsgesellschaft Braunschweig mbH.

Mit der Teilung Deutschlands entwickelte sich Braunschweig schließlich zu einem bedeutsamen Grenzhafen. Als letzter öffentlicher Binnenhafen vor der Grenze wurde hier  von Ost- in Westeuropäische Schiffe umgeladen und andersherum. Auch Elbquerungen, um nach Berlin zu kommen, wurden hier vorbereitet und bedeutsame Reedereien aus Europa siedelten sich an. Mit der Grenzöffnung änderten sich die Strukturen. Reedereien wanderten ab und das Arbeitsvolumen ging spürbar zurück. Mit dem Aufbau der Containertransporte Ende der 90er Jahre konnte diese Lücke wieder geschlossen und ein neuer wichtiger Wirtschaftszweig eröffnet werden.

Transportmöglichkeiten für alle Güter

Heute werden rund eine Million Tonnen Güter jährlich im Hafen Braunschweig verladen: „Unser Hafen ist ein Universalhafen, das heißt, wir können hier praktisch alle Güter umschlagen die es gibt. Von Agrarprodukten wie Getreide oder Stammholz über flüssige Güter wie Mineralöl und Diesel, aber auch Baustoffe wie Splitte aus den Steinbrüchen im Harz, Gips aus dem Harz, der in der Medizin verwendet wird, sowie Fertigprodukte wie Textilien, die in Containern zu uns kommen“, berichtet Jens Hohls. Von besonderer Bedeutung sei dabei der Zugriff auf alle Transportmodalitäten, also die einzelnen Verkehrsträger: Die Straße, auf der mit einzelnen LKW gefahren wird, die Schiene und Bahnhöfe, um Eisenbahnen Auf- und Abzuladen, sowie die Wasserstraßen und Häfen für die Schifffahrt.

„Die Prognosen gehen davon aus, dass das totale Verkehrsaufkommen steigen wird. In der Zukunft wird die Straße daher die Verkehre, die wir haben, nicht mehr aufnehmen können. Das haben wir das erste Mal bereits während Corona gespürt, als plötzlich alle Straßen voll waren. Wenn die Straße voll ist, muss man sich überlegen, wie man sie umgehen kann. Hier greift der Ansatz der Trimodalität, also die ineinandergreifende Nutzung aller Verkehrsträger. Das ist das Hauptthema, das uns auch in Zukunft bewegen wird.“ Der Braunschweiger Hafen sei mit seinen Anschlüssen an Schiene, Wasser und Straße jedoch bestens für die Zukunft gerüstet und bereit, sich den Herausforderungen zu stellen.

Ein Binnenschiff statt 100 LKW

Vor allem Betriebe, bei denen Güter in großen Mengen anfallen, wie die Agrarwirtschaft oder die Baustoffbranche, sind auf die Möglichkeiten angewiesen, die ihnen der Hafen Braunschweig bietet. Diese Mengen alleine in LKW zu transportieren, sei schlicht unwirtschaftlich: „Ein Binnenschaff fasst ca. 75 bis 100 LKW Ladungen. Würde man die gleiche Menge über die Straße transportieren wollen, hätte man 75 Motoren und 75 Fahrer:innen, auf dem Schiff hingegen einen Motor sowie zwei bis drei Besatzungsmitglieder.“ Dies ist auch in puncto Umweltverträglichkeit ein Argument, dass die künftige Bedeutung der Binnenschifffahrt bestimmen könnte. LKW seien zwar einzeln gesehen deutlich umweltfreundlicher, da sie alle drei Jahre ausgewechselt werden und so mit modernster Technik ausgestattet sind, während ein Binnenschiff um die zwanzig Jahre fährt, bevor zum Beispiel der Motor ausgetauscht wird. Am Ende ist jedoch die Transportmasse entscheidend: „Ein Schiffsmotor, auch wenn er alt ist, wird immer weniger Schadstoffe ausstoßen als 75 Lkw.“

Etwa die Hälfte der umgeschlagenen Waren im Braunschweiger Hafen kommt oder geht ins  Ausland. Hierfür gehen die Waren über den Mittellandkanal nach Bremerhaven, Wilhelmshaven oder Hamburg und werden dort in Seeschiffe verladen oder eben umgekehrt. Ganz aktuell erreichen besonders viele Container aus China den Braunschweiger Hafen, beladen mit Baustoffen für die Batteriezellfabrik in Salzgitter. „Das sind schon Projekte, wo wir auch stolz drauf sind, ein Teil davon sein zu dürfen.“ Auch Teile für Windkraftanlagen und Großtransporte, die schlicht zu groß oder zu schwer sind für die Straße , erreichen die Region klassischerweise über den Braunschweiger Hafen.

Hafen Braunschweig: Kein Ort für Touristen

Das der Braunschweiger Hafen ein Industriehafen ist, wird bei einem Rundgang deutlich spürbar. Gemütliche Cafés oder Sitzmöglichkeiten am Wasser sucht man vergebens. Dies ist jedoch auch gar nicht erwünscht, erklärt Jens Hohls. Touristen würden den Warenverkehr eher behindern. Zum 90-jährigen Jubiläum möchte sich der Hafen trotzdem einem breiteren Publikum öffnen und plant aktuell in Kooperation mit der Stadt eine Ausstellung in der Fußgängerzone. Ich für meinen Teil bin durch meinen Besuch trotzdem deutlich schlauer geworden und weiß nun nicht nur, dass Braunschweig einen Hafen hat, sondern auch, welche Güter hier umgeschlagen werden. Der Besuch hat sich daher auf alle Fälle gelohnt.